Heidelberg - Wasserstoffperoxid (H2O2) ist ein starkes Oxidationsmittel: Es blondiert Haare, bleicht Zähne und desinfiziert Wunden. Aber H2O2 entsteht auch im Körper selbst, unter anderem als gefährliches Stoffwechselprodukt der Zellatmung. Es stand lange im Ruf, Zellen und deren Bestandteile zu schädigen.

Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg entdeckten nun aber, wie das kleine Molekül in der Zelle auch gezielt Signale überträgt: Bestimmte Enzyme (Peroxiredoxine) fangen freies Wasserstoffperoxid ab und nutzen es, um damit spezifisch andere Proteine zu oxidieren. Auf diese Weise reguliert Wasserstoffperoxid etwa die Aktivität eines entzündungsfördernden Transkriptionsfaktors und steuert damit wichtige Zellfunktionen.

"Unter den meisten Bedingungen ist H2O2 gar kein unerwünschtes Nebenprodukt, sondern ein essentieller Botenstoff, der die Reaktion von Körperzellen auf Signale von außen, wie etwa Hormone oder Wachstumsfaktoren, maßgeblich mitbestimmt", erklärt Tobias Dick vom Deutschen Krebsforschungszentrum. "Heute wissen wir, dass das körpereigene H2O2 unabdingbar ist für die Signalverarbeitung im gesunden Organismus." Es überträgt Signale, indem es bestimmte Proteine an bestimmten Stellen oxidiert und damit entweder an- oder abschaltet.

Gezielte Lenkung

Die Forscher um Dick konnten nun erstmals zeigen, wie diese Signalübertragung durch gezielte Oxidation in menschlichen Zellen auf molekularer Ebene funktioniert: Sie wiesen nach, dass H2O2 unmittelbar nach seiner Entstehung von Peroxiredoxinen abgefangen wird. Was dann folgt, war unerwartet: Die Peroxiredoxine verwendeten das H2O2, um damit andere Proteine zu oxidieren. Sie arbeiten also tatsächlich als Fänger für H2O2-Moleküle - aber nicht um deren oxidative Wirkung zu verhindern, sondern um diese in geregelten Bahnen auf ganz bestimmte Ziele zu lenken.

Die Studie löst nicht nur ein bislang ungeklärtes Problem der Biologie, sondern birgt auch mögliche Therapieansätze bei Krebserkrankungen: "Tumorzellen produzieren mehr H2O2 und nutzen oxidative Signale stärker als normale Zellen, um damit ihr Wachstum anzukurbeln", sagt Erstautor Mirko Sobotta. "Da wir jetzt die Peroxiredoxine als wichtige Spieler bei der spezifischen Oxidation kennen, können wir hier ansetzten, um in krebsrelevante oxidative Signale einzugreifen." (red, derStandard.at, 18.12.2014)