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Jubel in Havanna nach der Freilassung von Teilen der "Cuban Five".

Foto: Reuters/Stringer

Havanna/Puebla - Weltpolitisch brisant war die Eiszeit zwischen Kuba und den USA vor allem während der Raketenkrise von 1962. Später waren die Einflusssphären abgegrenzt, und Kubas Versuche, die Revolution auf die Bühne der Weltpolitik zu tragen, scheiterten - mit Ausnahme von Mittelamerika - kläglich, sei es im Kongo oder auch in Bolivien.

Als in Europa der Kalte Krieg 1989 endete, sahen viele schon den Sturz der Castro-Brüder heraufziehen. Doch Kuba hielt hartnäckig am Sozialismus fest, obwohl es rasant bergab ging. Nichts kam in Bewegung, und das hat damit zu tun, dass sich die Welt herzlich wenig für die heruntergewirtschaftete Insel interessierte und sich die beiden Kontrahenten mit ihren abgesteckten Fronten bestens arrangiert hatten. Washington konnte an Havanna ein leuchtendes Exempel seines Demokratieverständnisses statuieren, und Kuba hatte im Embargo einen willkommenen Sündenbock für seine strukturelle Mangelwirtschaft.

Einflussreiche Exilantenlobby

Der Mehrheit der US-Bürger ist Kuba egal, während die kleine, aber einflussreiche und ebenso radikale wie reiche kubanische Exilgemeinde erfolgreiches Lobbying betrieb und im Kongress die Zü- gel des Embargos immer fester schnüren konnte - sogar zulas- ten der europäischen Bündnispartner.

US-Präsident Barack Obama hat nun also ein Zeichen gesetzt: "Todos somos americanos" ("Wir alle sind Amerikaner"), sagte er auf Spanisch. Das klingt nach gleicher Augenhöhe und ist möglicherweise der Anfang vom Ende der US-Sonderrolle auf dem Kontinent. Lateinamerika hat die Ankündigung deshalb auch einhellig begrüßt. Besiegelt wird die neue Ära im kommenden April auf dem Amerika-Gipfel in Panama.

Reformen bisher ungenügend

Für Kubas Staatschef Raúl Castro kommt die Entscheidung goldrichtig. Seit er die Amtsgeschäfte 2006 von seinem kranken Bruder Fidel übernommen hatte, hat er einen sanften Reformkurs verordnet. Bisher ist die marktwirtschaftliche Öffnung streng limitiert, und politische Freiheiten bleiben spärlich. Die wirtschaftliche Erholung ist zwar spürbar, aber ungenügend. Ohne die verbilligten Erdöllieferungen aus Venezuela, das vor 15 Jahren Russland als Bündnispartner ersetzte, hätte der Kollaps schon lange stattgefunden. Jetzt aber schwächelt Venezuela. Es ist höchste Zeit für neue Partner, und da stehen die USA wegen ihrer geografischen Nähe und finanziellen Stärke an erster Stelle.

Weder China noch Russland noch Brasilien konnten trotz zahlreicher Projekte und Abkommen eine derart wichtige Rolle spielen. Migration, Drogen, Tourismus, Handel - überall sind Kuba und die USA aufgrund ihrer Geografie natürliche Partner.

Was die US-Politik auf Kuba bewirken wird und ob das Tauwetter anhält, ist offen. Kuba ist bei alledem der Juniorpartner, es kann eine Menge gewinnen - aber die Führung riskiert auch einiges: Denn die Öffnung könnte dazu führen, dass mittelfristig die Bevölkerung die Machtfrage stellt.

Noch sind die Kubaner skeptisch, denn sie haben zu oft erlebt, wie Hilfe von außen tatsächlich eine Verhärtung nach innen zur Folge hatte. Viele können sich eine andere Welt nicht vorstellen - noch nicht. Eine Demokratisierung steht nicht auf dem Plan Castros, der ein Bewunderer des chinesischen Staatskapitalismus ist. Inzwischen über 80 Jahre alt, wird er die Folgen seiner Entscheidung - ebenso wie Obama - vermutlich nicht mehr zu verantworten haben.

2018 will Raúl Castro abtreten. Die Weichen zur Nachfolge sind gestellt: Vizepräsident Miguel Díaz-Canel (54) soll der neue Mann an der Spitze werden. Und dennoch: Ohne Fidel und Raúl Castro muss die Machtbalance auf der Insel neu austariert werden. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 19.12.2014)