Wladimir Putin liebt den großen Auftritt. Eine Jahrespressekonferenz mit über 1250 akkreditierten Journalisten ist die Bühne, auf der er sich entfalten, auf der er mit Zahlen und Thesen jonglieren kann - unwidersprochen, weil Nachfragen schwierig ist, und damit auch unwiderlegt.

Am Donnerstag war er in Hochform zu bewundern. Gut gelaunt lächelte und redete er die Ukraine-, Wirtschafts- und Rubel-Krise (fast) weg: In der Ukraine ist Russland nur Beobachter, der Rubel hat Erholungspotenzial. Heuer gibt es eh Wachstum, und spätestens in zwei Jahren ist ohnehin alles vergessen. Bis dahin wird Russland den Einbruch des Ölpreises sogar noch für die Diversifizierung seiner Wirtschaft genutzt haben und zu einem noch stärkeren und unabhängigeren Staat geworden sein.

Es ist verständlich, dass kein Politiker, zumal einer, der seit fast 15 Jahren in höchsten Ämtern Verantwortung für die Lage im Land trägt, gern über Krisen redet. Demokratie hin, Diktatur her - Politiker mögen Herausforderungen mehr als Krisen. Den jetzigen Einbruch schiebt Putin ohnehin dem Westen in die Schuhe, der Russland für sein Streben nach Souveränität abstrafen wolle, was aber nicht gelingen werde. Putins Optimismus mag für die Russen verführerisch wirken, er birgt aber auch eine große Gefahr, eine übrigens durchaus für das Land typische: Risiken werden bei ihm weitgehend ausgeblendet.

Ein Ölpreis von unter 60 Dollar, ja selbst von 40 Dollar sei für Russland kein Problem, versichert Putin so - obwohl das Budget auf einen Ölpreis von 96 Dollar ausgerichtet ist.

Ein weiteres Beispiel ist Russlands neues Gaspipelineprojekt Richtung Türkei. Moskau übt damit Druck auf Brüssel aus, hofft, die EU-Länder zum Bau von entweder South Stream oder einem Gas-Hub an der griechisch-türkischen Grenze zu zwingen. Doch Putin begründet den Bau der milliardenschweren Leitung durch das Schwarze Meer auf der Pressekonferenz allein mit dem gestiegenen Energiebedarf der Türkei. Wenn die Europäer wollen, können sie sich an das Netz anschließen, wenn nicht, ist uns das egal.

Das stimmt nicht. Unabhängige Energieexperten bestätigen: Eine Pipeline mit einer Kapazität von 63 Milliarden Kubikmeter ist viel mehr, als die Türkei selbst aufnehmen kann. Ohne eine Einigung mit der EU wird die neue Pipeline ein Milliardengrab. Doch das sind Details, die den Wohlfühlfaktor der Pressekonferenz unnötig gesenkt hätten. (André Ballin, DER STANDARD, 19.12.2014)