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Auch Kubas Behörden waren wohl zunächst überrascht, dass sich der erfahrene Entwicklungshelfer Alan Gross in ihrem Land so auffällig verhielt. Dann verurteilten sie ihn zu 15 Jahren Haft.

Foto: EPA/SHAWN THEW

Wenn Alan Gross, wie Kubas Regierung es vermutet, 2009 wirklich als Spion in das Land gereist ist, dann hat er wenig getan, um seine Absichten zu verschleiern. Viermal binnen fünf Monaten reiste der damals 60-Jährige, der nur über magere Spanischkenntnisse verfügte, via Touristenvisum ins Land – offenbar, um dort verbotenes Kommunikationsequipment zu verteilen.

Die Frage, welche Absicht wirklich hinter den Reisen des heute 64-Jährigen stand, blieb auch am Mittwoch nach seiner Freilassung, die am Nachmittag erstes Anzeichen der Entspannung zwischen Kuba und den USA war, vorerst unbeantwortet. Offiziell stand er im Sold der Firma Development Alternatives Incorporated, die in Zeiten George W. Bushs sechs Millionen Dollar (4,8 Millionen Euro) von der Entwicklungsbehörde US-Aid zur "Verbreitung der Demokratie" erhalten hatte.

Zwölf iPods als Privatbesitz

Gross selbst wies sich als Mitarbeiter einer jüdischen Hilfsorganisation aus. Die in Kuba verbotene Kommunikationstechnik will er bei der Einreise als sein Eigentum deklariert haben. Seine Geschenke – etwa Satellitentelefone, zwölf iPods, elf Blackberries, drei MacBooks und 18 WLAN-Router – kamen den Mitgliedern der kleinen jüdischen Gemeinde Havannas zugute.

Dass sich der zweifache Familienvater, den das US-Außenministerium als "Entwicklungshelfer mit jahrzehntelanger Erfahrung" bezeichnet, derartig auffällig verhielt, überraschte wohl auch Kubas Behörden, die ihn 2009 festnahmen und zwei Jahre später zu 15 Jahren Haft verurteilten. Immerhin soll er zuvor in viel gefährlicheren Staaten – im Irak, in Pakistan und in Afghanistan – erfolgreich Satellitentechnik zur Umgehung von Zensur verteilt haben.

Völlige Privatsphäre

Für Aufsehen in den USA sorgten nicht nur diese Ungereimtheiten, sondern auch die harschen Haftbedingungen: 23 Stunden pro Tag verbrachte er in einer kleinen Zelle, in den fünf Jahren verlor er 50 Kilo, mehrere Zähne und die Sehkraft an einem Auge. In den USA wurde er unterdessen zu einer Symbolfigur: Zahlreiche Politiker nahmen sich seines Falles an.

Für ihn sei es "das schönste Hanukkah, das ich in vielen Jahren haben werde", sagte Gross am_Mittwoch in einer Pressekonferenz. Weitere Auftritte sind vorerst nicht zu erwarten, Gross will sich gemeinsam mit seiner Frau in eine Wohnung im Nordwesten Washingtons zurückziehen. "Ich bitte Sie darum, meinen Wunsch nach völliger und absoluter Privatsphäre zu respektieren – claro?" (Manuel Escher, DER STANDARD, 19.12.2014)