Der Neubeginn fing mit einem Eingeständnis an: "Isolation hat nicht funktioniert. Es ist Zeit für einen neuen Ansatz." Damit begründete US-Präsident Barack Obama das Ende der Eiszeit in den Beziehungen zu Kuba nach 53 Jahren.

Im Jahr 1961, als die Amerikaner mit ihrem Invasionsversuch in der Schweinebucht scheiterten, wurde Obama geboren. Ihm fällt es auch deshalb leichter, einen Neuanfang in den Beziehungen zu starten, der mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs längst überfällig war. Kuba ist nicht mehr das Bollwerk Moskaus nur 160 Kilometer von der Küste der USA entfernt.

Mit diesem mentalen Mauerfall erweist Obama seinem Land einen Dienst, denn er beendet eine jahrzehntelange Politik, die letztlich auch zu einer Isolation der USA geführt hat. Mit seiner auf Spanisch vorgetragenen Ankündigung "Wir alle sind Amerikaner" geht Obama einen großen Schritt nicht nur auf die Kubaner zu, sondern auf alle Lateinamerikaner.

Die Isolation Kubas hat Washingtons Beziehungen zu anderen Staaten im Süden des Kontinents belastet. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) war in den vergangenen Jahren nichts anderes als ein Papiertiger. Immer mehr lateinamerikanische Länder organisierten sich untereinander in Bündnissen nach dem Vorbild der EU und positionierten sich bewusst gegen die USA. Vor allem Venezuelas Präsident Hugo Chávez begründete seinen Führungsanspruch 14 Jahre lang in seinem Land und in der Region mit scharfem Antiamerikanismus.

Fast ein Jahrhundert lang hat die Supermacht den Süden kulturell, politisch und wirtschaftlich stark beeinflusst. Die Lateinamerikaner sprachen vom "Norden", wenn sie die USA meinten. In der US-amerikanischen Außenpolitik wurden die Staaten Lateinamerikas oftmals als eine Art "Hinterhof" betrachtet. Im neuen Jahrtausend schwand dieser Einfluss. Die USA, aber auch lateinamerikanische Staaten suchten Kontakte in andere Teile der Welt - insbesondere nach Europa und China.

Nun scheint die Regierung Obama verlorenen Boden wieder gutmachen zu wollen. Der Kurswechsel in der Kuba-Politik ist der Versuch Washingtons, sich wieder stärker auf dem Kontinent zu engagieren. Nicht alle werden dies als positive Entwicklung deuten, zumal vielen die Einmischung der USA in innere Angelegenheiten wie jene Chiles unter Salvador Allende noch in lebhafter Erinnerung ist. In Kolumbien sind die USA heute noch sehr präsent.

Obama hat mit der Zäsur in der Kuba-Politik bewiesen, dass er alles andere als eine "lame duck" ist, aus Fehlern Konsequenzen zieht und eine neue Politik formen kann. In den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit geht es nicht nur darum, die bereits begonnenen Öffnungsprozesse in Kuba anzustoßen, sondern auch ein neues Verhältnis zu den Staaten Lateinamerikas aufzubauen. Realpolitik ist gefragt, die amerikanische Soft Power kann mehr bewirken als das Festhalten an Positionen im Geist des Kalten Krieges. Der Architekt der deutschen Ostpolitik, der SPD-Politiker Egon Bahr, hat einst die Aufgabe der von der westlichen Welt postulierten "Politik der Stärke" gefordert und die Formel "Wandel durch Annäherung" geprägt.

Den ersten Schritt hat Obama mit Kuba gesetzt. Der nächste könnte beim Amerika-Gipfel im April in Panama folgen. Es geht um Partnerschaft auf Augenhöhe mit ganz Lateinamerika. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 19.12.2014)