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Die Situation ist ernst, dennoch genießt Wladimir Putin das Bad in der (Journalisten-)Menge.

Foto: AP/Golovkin

Journalisten sind ein undankbares Publikum: Der Beifall für Russlands Präsident Wladimir Putin zu Beginn seiner Jahrespressekonferenz war deutlich schwächer als noch vor zwei Wochen bei seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Staatsrat. Auch einige kritische Fragen musste sich der Kremlchef anhören, doch Putin umschiffte die Klippen beim Rede-und-Antwort-Spiel meistens gekonnt und gut gelaunt.

Putin begann seinen Auftritt mit der obligatorischen Verspätung und einer Auflistung von ausschließlich positiven Zahlen zur wirtschaftlichen Lage. Demnach wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr trotz aller Krisensymptome wachsen - laut Putins Schätzung um 0,6 Prozent - und der Haushalt einen Überschuss erwirtschaften.

Die "wichtigste Frage heute" sei die Wirtschaftslage und die Rubel-Entwicklung, leitete er zum Hauptteil über. Für den Verfall der Landeswährung machte er äußere Faktoren verantwortlich, räumte aber zugleich ein, dass Moskau seine Hausaufgaben in den vergangenen Jahren nicht gemacht habe - in erster Linie betrifft dies die Abhängigkeit von Öl und Gas, die die russische Führung seit Jahren zu vermindern verspricht.

Die aktuellen Handlungen der Regierung und der Zentralbank hingegen verteidigte Putin als "absolut adäquat". Es hatte zuvor scharfe Kritik an Zentralbankchefin Elvira Nabiullina gegeben, nachdem sie zur Stützung des Rubels den Leitzins von 10,5 auf 17 Prozent angehoben hatte, was die Kreditaufnahme für russische Unternehmer fast unmöglich macht. Lediglich etwas schneller hätte die Bank auf die dramatischen Ereignisse reagieren müssen, mahnte Putin an. Zu Wochenbeginn war der Rubel massiv unter Druck geraten und hatte zeitweise innerhalb von zwei Tagen 30 Prozent seines Werts gegenüber Euro und Dollar eingebüßt. Putin verwahrte sich aber gegen Forderungen nach einer Absetzung seiner Vertrauten.

Es wird wieder besser

Zuletzt hatte der Rubel nach Interventionen und der Ankündigung von Stabilisierungsmaßnahmen wieder an Boden gewinnen können. Den Angaben Putins zufolge ist es möglich, dass sich der Rubel weiter erholt. Dazu sollen (die zumeist staatlichen) Exportunternehmen von der Regierung zwar nicht verpflichtet, aber doch gedrängt werden, ihre Deviseneinnahmen in Russland zu verkaufen.

Eine neue Wirtschaftspolitik wird es daher nicht geben. Der Staatschef gab sich optimistisch: "Wachstum ist unausweichlich", sagte er. In spätestens zwei Jahren sei die Krise - das Wort selbst versuchte er dabei tunlichst zu vermeiden - überwunden. In der Zwischenzeit werde der niedrige Ölpreis Russland dabei helfen, seine Wirtschaft zu diversifizieren, da es keinen anderen Ausweg gebe. Ob der Preis für das schwarze Gold dabei auf unter 60 oder sogar auf 40 Dollar falle, sei für Russland egal. Das Land werde allen Stürmen widerstehen.

Finanziell ist Russland tatsächlich gut gerüstet: Die Reserven der Zentralbank liegen bei 419 Milliarden Dollar, die Regierung hat zudem laut Putins Angaben ein Polster von 8,4 Billionen Rubel (entspricht derzeit etwa 110 Milliarden Euro). Allerdings ist es unter den derzeitigen Umständen für Russland fast unmöglich, an frisches Kapital heranzukommen. Die Frage, wie dieses Dilemma gelöst werden kann, beantwortete Putin auf der Pressekonferenz nicht.

Westen macht Bärenjagd

Stattdessen warf er dem Westen vor, auf die Vernichtung Russlands zu zielen: Die Sanktionen seien keineswegs die Bestrafung für Russlands Aktionen auf der Krim, erklärte er. Der russische Bär würde auch nicht in Ruhe gelassen werden, wenn er ruhig in seiner Höhle bleibe. "Man wird immer versuchen, ihn an die Kette zu legen" - und wenn dies dem Westen gelinge, werde er dem Bären erst Zähne und Krallen ziehen und anschließend das Fell an die Wand hängen, so Putin.

Die Sanktionen seien "zu 25 bis 30 Prozent" an der jetzigen Lage schuld. Sie würden Russland aber nicht zur Aufgabe seiner nationalen Interessen zwingen und auch keine "Palastrevolte" in Moskau hervorrufen, sagte Putin.

Auch als er von einem ukrainischen Journalisten scharf wegen der russischen Einmischung im Nachbarland angegriffen wurde, blieb Putin bei seiner bekannten Argumentation. Moskau mische in dem Konflikt nicht mit, sondern sei nur Vermittler in einem Konflikt, der unrechtmäßig von Kiew gegen die eigene Bevölkerung im Osten losgetreten wurde. Die in der Ukraine kämpfenden Russen nannte Putin Freiwillige, "die dem Ruf ihres Herzens" folgen.

Wer wollte, konnte aber auch versöhnliche Töne heraushören: So demonstrierte Putin Optimismus, dass eine politische Lösung gefunden werde, bei der die Ukraine als "einheitlicher politischer Raum" bestehen bleibt. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 19.12.2014)