Die Hafenstadt Rason liegt im nordostasiatischen Dreieck, wo Russland, China und Nordkorea aufeinandertreffen. Sie beherbergt 190.000 Einwohner und ist die erste in einer Reihe von 19 geplanten Sonderwirtschaftszonen des Landes. Vor allem aber symbolisiert Rason für viele Beobachter nichts weniger als die Hoffnung auf ein besseres Nordkorea.

Zuletzt besuchte Rüdiger Frank die Sonderwirtschaftszone im September. Seit 24 Jahren verfolgt er bereits das Geschehen im Land, studierte 1991 gar zwei Semester in Pjöngjang. Er gilt als Mann nüchterner Worte, der auf keinen Medienhype unbegründet aufspringt. Seine Erfahrungen in Rason beschrieb er nichtsdestotrotz als "unglaublich". Dort habe sich Nordkorea gezeigt, wie es auch sein könnte: offener, menschlicher, ehrlicher und viel stärker an Wirtschaftskooperation mit der Außenwelt interessiert.

Auf den ersten Blick sehe Rason wie eine ganz gewöhnliche nordkoreanische Stadt in der Provinz aus: leicht holprige Straßen, vorbeiziehende Ochsenkarren, die obligatorischen Propagandabilder an den Wänden. Dann besichtigte Frank den örtlichen Markt, eine riesige Halle von der Größe eines Fußballfeldes, in der von Fisch über Ananas bis hin zu Kühlschränken alles Erdenkliche feilgeboten wurde.

Niemand zahlt in Won

Als er eine der Verkäuferinnen fragte, wie viel ein Kilo Bananen in nordkoreanischen Won wert sei, musste diese zögern. Sie wisse es nicht, da fast niemand das heimische Geld benutze. Die alles dominierende Währung sei der chinesische Yuan.

Beim folgenden Besuch einer Textilfabrik erzählte ihm ein Manager ganz offen, dass in die dort hergestellten Skianzüge ein "Made in China"-Logo eingenäht werde.

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Textilfabrik Sonbon: Hier werden Hemden für den Export genäht.
Foto: AP/David Guttenfelder

Die Kunden würden das verlangen, damit sie die Produkte auch in Südkorea verkaufen können. Außerdem beantwortete er dem ausländischen Besuchers ganz offen, wie viel er seinen Angestellten zahlt: im Schnitt umgerechnet 65 Euro im Monat, abhängig von der erbrachten Leistung. Selten zeigte sich Nordkorea transparenter.

Eigene Gesetze für Rason

Vielleicht lassen sich hier die ersten Anzeichen eines Paradigmenwechsels beobachten. Kim Jong-un steht – im Gegensatz zum Vater und Großvater – zunehmend unter Druck, seine Machtansprüche auch wirtschaftlich zu legitimieren. Neben der Gewährleistung der nationalen Unabhängigkeit lautet sein Versprechen an das Volk auch: Unter meiner Herrschaft wird es euch materiell besser gehen.

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Plakat in der Sonderwirtschaftszone: "Lasst uns gemeinsam für eine neue Epoche arbeiten, eine starke Wirtschaft aufbauen mit der Einstellung, das Universum zu erobern."
Foto: AP/David Guttenfelder

Die ausgerufenen Sonderwirtschaftszonen sind essenziell für Nordkorea, um ausländische Investoren ins Land zu locken und die Wirtschaft anzukurbeln. Um potenziellen Investoren mehr Sicherheit zu bieten, trat bereits 2010 ein eigenes Gesetzbuch für Rason in Kraft.

Ein Großteil der dortigen Infrastruktur wurde mit chinesischem Geld finanziert. Über eine Brücke zum chinesischen Festland können bereits jetzt rund sechs Millionen Tonnen Güter pro Jahr transportiert werden, eine weitere Brücke ist in Planung. Der Hafen von Rason verfügt über drei Docks, von denen aus Güter nach Schanghai und anderen Städten entlang der südostchinesischen Küste verschifft werden.

Strände locken Touristen an

Zudem strömen unzählige chinesische Touristen ins Land, denn Rason verfügt über etwas, was 65 Millionen Chinesen in der angrenzenden Provinz Jilin nicht haben: malerische Strände. Ebenso lockt ein von Investoren aus Hongkong finanziertes Casino-Hotel.

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Im Mai 2013 landete die erste Touristengruppe im Hafen Kosong.
Foto: Reuters/KCNA

Wird sich die Sonderwirtschaftszone Rason als Vorbild für das gesamte Land etablieren? Eine Grundbedingung dafür wäre der ökonomischer Erfolg. Der hält sich jedoch, zumindest laut Rüdiger Franks Beobachtungen, noch in Grenzen. "Der Mangel an ernsthaften ausländischen Investitionen ist die Tragödie von Rason. (…) Nordkorea öffnet sich, und niemanden kümmert's“, schreibt er in seinem Artikel in dem Fachblog "38north".

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Souvenirladen für zahlungskräftige Gäste.
Foto: AP/David Guttenfelder

Letztlich bleibt die Gretchenfrage: Lässt sich durch den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes auch das politische System nachhaltig öffnen? In der Praxis verfolgt das Gros der westlichen Welt, allen voran die USA, eine gegenteilige Strategie: Durch Sanktionen soll ein Kollaps des Systems wie einst in Osteuropa abgewartet, wenn nicht gar provoziert werden. (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 19.12.2014)