Wien - Kurz vor der erwarteten Mordanklage gegen den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Alijew macht dessen Anwalt Stefan Prochaska die Verteidigungslinie klar. "Die Geschichte stinkt von A bis Z, egal wo man hinschaut", sagt Prochaska im APA-Gespräch und spricht von zahlreichen manipulierten Beweisen. Aus diesem Grund freue er sich schon auf die Gerichtsverhandlung.
Widersprüche in Beweisvideo
Als Beispiel nennt er das von der kasachischen Justiz vorgelegte Video vom angeblichen Fundort der Leichen jener zwei kasachischen Bankmanager, die Alijew getötet haben soll. In dem Video aus dem Jahr 2011 fänden sich auch Passagen einer Aufnahme aus dem Jahr 2008, berichtet Prochaska, der mit einem zehnköpfigen Team alle von der kasachischen Justiz vorgelegten Beweise sichtet.
Außerdem gebe es Zeugen, "die mehrmals vernommen wurden und ganze Absätze lang wortwörtlich das Gleiche sagen", so Prochaska. Er bezweifelt auch, dass die Witwe eines der Bankmanager diesen habe identifizieren können, "weil sie sich erinnert hat, welche Unterhose er vor vier Jahren in der Früh angezogen hat".
Kasachische Justiz vernichtete Beweise
Auffällig sei, dass die kasachische Justiz die Beweise im Prozess gegen Alijew nach dem rechtskräftigen Urteil vernichtet habe. Laut Alijew sei das eine auch für Kasachstan unübliche Vorgangsweise gewesen. Kasachstan scheiterte zweimal mit dem Versuch, die Alijews Auslieferung durch Österreich zu erreichen. Erst danach sei wieder begonnen worden, belastende Beweise zu sammeln. "Das ist von vorne bis hinten eine Geschichte, die aufgebaut wurde, nachdem das Auslieferungsbegehren abgelehnt worden ist", sagt Prochaska.
Der Wiener Anwalt geht dennoch davon aus, dass sein Mandant in Österreich wegen Mordes angeklagt wird. Er werde wohl auch auf einen Einspruch verzichten ("Ich bin kein Fan von Anklageeinsprüchen"), sondern versuchen, die Beweise vor Gericht zu entkräften.
Zweifel an DNA-Analyse
"Alle Beweise stammen aus Kasachstan" und damit aus einem Land, das rechtsstaatlich "auf dem Niveau von Nordkorea" stehe, so Prochaska. Er glaube nicht einmal an die DNA-Ergebnisse, die Alijew belasten. Die DNA-Analyse sei nämlich von Opferanwalt Gabriel Lansky beauftragt und von einer privaten Einrichtung, der Berliner Charité, durchgeführt worden. Anders als bei österreichischen gerichtsmedizinischen Gutachten gebe es keine Gewähr, dass die Untersuchung wirklich anonym erfolgt sei.
"Auf dieser Basis kann eine österreichische Demokratie niemanden verurteilen", betont Prochaska und kritisiert die Zulassung der umstrittenen Beweise in Österreich. "Man kann nicht die kasachischen Methoden wie ein Durchlauferhitzer übernehmen."
Kritik an Lansky
Scharf kritisiert Prochaska auch seinen Gegenspieler Lansky. Dieser habe den kasachischen Opferverein Tagdyr in Wirklichkeit erfunden und versuche durch Medienarbeit, die öffentliche Fürsprache angesehener Juristen und Politiker sowie Meinungsmache im Internet die Öffentlichkeit und die Justiz zu beeinflussen. "Wenn nur mit Mitteln der österreichischen Justiz ermittelt worden wäre, wäre das Verfahren (gegen Alijew) schon längst eingestellt worden", glaubt Prochaska.
Gänzlich anders sieht Opferanwalt Lansky die Angelegenheit. Es gebe eine "geschlossene Indizienkette", während Alijews Anwälte "keine Argumente" und "kein Alibi" hätten, sagte er der APA. Die Staatsanwältin werde die Mordvorwürfe gegen Alijew im Verfahren "auf hunderten Seiten" detailliert ausführen. "Jeder wird verstehen, dass nicht Kasachstan, sondern Österreich ermittelt hat", ist Lansky überzeugt.
Anklageerhebung vermutlich Mitte Jänner
Der Fall Alijew ist auch innenpolitisch brisant, weil Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) früher der Rechtsanwalt Alijews war. Allein aus diesem Grund glaubt Prochaska nicht an eine Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten. Sowohl Prochaska als auch Lansky rechnen mit einem Prozessbeginn frühestens im zweiten Quartal des kommenden Jahres. Beobachter erwarten, dass die offizielle Anklageerhebung Mitte Jänner erfolgen wird. Dem Vernehmen nach war die vom Weisenrat im Justizministerium angeordnete Zeugeneinvernahme bis Freitag noch nicht abgeschlossen. (APA, 19.12.2014)