Kein Thema regt Globalisierungskritiker und NGOs derzeit so auf wie das der Investitionsschutzabkommen, die Unternehmen ein Klagsrecht gegen Staaten vor Schiedsgerichten (ISDS) einräumt. Dieses sperrige Thema ist der vielleicht größte Stolperstein für das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP. Die Kritiker, darunter führende Sozialdemokraten, warnen vor Sonderprivilegien für Konzerne und eine Unterwanderung des Rechtsstaates.

Und jetzt scheint die Drohung des Meinl-Bank-Aktionärs, die Republik unter einem solchen Abkommen auf 200 Millionen Euro Schadenersatz zu klagen, weil die Ermittlungen gegen Julius Meinl V. und die Bank deren Wert so stark vermindert hat, alle Befürchtungen zu bestätigen.

Was braucht man noch als Beweis, dass Investitionsschutz nur reichen Konzernen nutzt? Der Grüne Europaabgeordnete Michel Reimon nahm das als Anlass, sofort die Kündigung aller solcher Abkommen von Österreich zu fordern.

Faire und effiziente Methode

Ich habe Schiedsverfahren seit Jahren beobachtet und sie bisher als eine faire und effiziente Methode der Streitbeilegung erlebt. Aber all diese dramatischen Warnungen lassen auch manche Befürworter unsicher werden: Haben die Gegner vielleicht doch Recht? Ist der Investitionsschutz zumindest in seiner jetzigen Umsetzung ein fundamentales gesellschafts- und rechtspolitisches Problem?

Eines fällt dabei auf: Wenn Kritiker Schiedsgerichte als Instrument für Konzerninteressen beschreiben, lassen sie den wichtigsten Aspekt meist aus. Das System funktioniert nämlich so, dass jede Seite einen Schiedsrichter ernennt und diese dann einen dritten als Vorsitzenden wählen. Anders als etwa von Greenpeace, Attac & Co behauptet haben Konzerne nicht mehr Einfluss auf das Schiedsgericht als Staaten.

Nicht nur Wirtschaftsanwälte

Die Schiedsrichter sind zwar meist Wirtschaftsanwälte, aber oft auch Rechtsprofessoren oder pensionierte Richter. Auch Wirtschaftsanwälte können die Interessen von Staaten gut vertreten. Sonst würden sie ja nicht von denen nicht so oft hinzugezogen werden.

Es gibt überzeugendere, wenn auch ebenfalls unbewiesene Argumente für eine Dominanz von Konzerninteressen in Schiedsverfahren. Aber die Tatsache, dass Kritiker das grundlegende Faktum verzerrt darstellen, untergräbt auch deren Glaubwürdigkeit.

Nun zurück zu Meinl. Statt sich über die Klage zu empören, könnte man sie auch als nützlichen Test der Pro-und-Kontra-Argumente begrüßen.

Zeichen des Missbrauchs

Bei aller Kritik am Vorgehen der Justiz in der Causa Meinl: Sollte Österreich tatsächlich vor einem Schiedsgericht zur Zahlung von 200 Millionen Euro verurteilt werden, weil die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit macht, dann wäre das ein echter Skandal.

Selbst wenn es nur zum Schiedsverfahren kommt und der Bund gezwungen wird, teure Anwälte zu bezahlen, wäre es ein Zeichen, wie leicht sich Investitionsschutzabkommen missbrauchen lassen. Auch nur die Einbringung der Klage wäre bereits ein Ärgernis.

All das würde den Kritikern weitgehend Recht geben.

Warum eigentlich Malta?

Aber nichts von dem muss geschehen. Es gibt keinen ernsthaften Grund, warum ein Abkommen zwischen Österreich und Malta für die Interessen einer niederländischen Gesellschaft, die Julius Meinl gehört, zuständig sein soll – auch wenn aus opportunistischen Gründen die Gesellschaft ihren Sitz verlegt hat. Keine Schiedseinrichtung sollte so ein Verfahren annehmen.

Und selbst wenn eine es tut, kann sich die Republik absichern, dass der Verlierer die Kosten trägt. Und das wird in diesem Fall wohl Meinl sein. Denn frivole Klagen, das zeigen alle Untersuchungen, haben vor Schiedsgerichten keine Chance.

Klagen ohne Erfolgsgarantie

Auch bei andere Schiedsklagen, die derzeit von Kritikern angeprangert werden, wie etwa die des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen den deutschen Atomausstieg, ist ein Erfolg bei weitem nicht garantiert. Aber klagen kann man immer auch vor ordentlichen Gerichten, ohne dass dies den Rechtsstaat schwächt.

Bei der Meinl-Klage liegt bisher nur die Ankündigung einer US-Anwaltskanzlei vor. Es könnte sich dabei auch um einen PR-Gag handeln, um ein weiteres Beispiel psychologischer Kriegsführung aus dem Hause Meinl. Meine starke Vermutung ist, dass diese Klage nie eingebracht wird.

Wenn das so kommt, müssen sich die Kritiker doch fragen, ob sie hier nicht unehrliche Panikmache betreiben, um ein ideologisch motiviertes Anliegen gegen besseres Wissen voranzutreiben. Das würde ihre ganze Argumentation gegen Investitionsschutz entwerten. (Eric Frey, derStandard.at, 19.12.2014)