"Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern": Schön poetisch und syntaktisch extravagant kleidet Georg Trakl seine Vorahnung des Ruinösen in Worte: Die Verszeile stammt aus "Verfall", einem berühmten, 1909 geschriebenen Gedicht des unglückseligen Salzburger Dichters.
Weit mehr als nur einen "Hauch" von Verfall bekamen die Russen in dieser Woche zu spüren. Der Wert des Rubels verfällt in derart galoppierender Geschwindigkeit, dass die Steigerungungsstufe des ökonomischen Verfalls – der Crash – nicht mehr weit entfernt scheint.
Den Brüdern Grimm zufolge ist der Verfall ein Wort, das sich erst in (relativ) neuerer Zeit im Deutschen ausgebreitet hat, der Lexikograf Johann Christoph Adelung vermerkt in seinem Wörterbuch von 1811, dass es nur selten verwendet werde. Umso breiter gestreut sind seine Anwendungs bereiche heute: Verfall gibt es in der Rechtssprache (Ansprüche, Pfänder etc.), in der Medizin, die es ständig mit körperlichem Verfall zu tun hat, im Finanziellen, wo Kurse und Währungen verfallen, sowie, laut Duden, in einer Sonderbedeutung im Bauwesen: Dort bezeichnet ein Verfall eine Verbindung zwischen zwei unterschiedlich hohen Dachfirsten.
Etwas Besonderes kann auch das Verb "verfallen" meinen: Laut Wolfgang Teuschls Dialektlexikon steht es im Wienerischen für "angeödet sein, frustriert sein". Weitere Bedeutung: In einer psychischen Drucksituation dekompensieren ("als sie ihn angebrüllt hat, ist er völlig verfallen"). Zum Glück ist diese Verfallsvariante meist nur temporär. (win, DER STANDARD, 20./21.12.2014)