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Ulrike Kaufmann bei einem Interview im Jahr 2010.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Für die Theaterarbeiten des Serapions Ensemble muss man – ohne Kitschverdacht – den Begriff der Zauberei bemühen. Im historischen Säulensaal des Odeon, der ehemaligen Wiener Getreidebörse, hat Ulrike Kaufmann im Zweigespann mit ihrem Lebens- und Berufspartner Erwin Piplits, ein Bildertheater etabliert und hochgehalten, das jene intensive, im besten Sinn zeitlose Magie zu erzeugen wusste, angesiedelt zwischen Ariane Mnouchkines Théâtre du Soleil und der perfekten Kunstfertigkeit des Cirque du Soleil. Mit dieser Ästhetik und Dynamik war das seit 41 Jahren miteinander verbundene Theaterpaar in Österreich allein auf weiter Strecke. Nun ist Ulrike Kaufmann am 19. Dezember 61-jährig einem schweren Leiden erlegen, wie das Theater am Samstag mitteilte.

Damit wird die für März avisierte neue Produktion "Anago" zu einem Sinnbild des Abschieds. "Anago" bedeutet "aufbrechen", "hinausgehen"; die Geschichte basiert auf einer Erzählung Adelbert von Chamissos.

Vor 41 Jahren haben Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits ihr Ensemble gegründet. Damals hieß es noch Pupodrom, da auf der Bühne auch viele Puppen im Einsatz waren. Man war als vazierende Truppe unterwegs von Gemeinde- zu Schulsaal und machte das Herumziehen auch zum Thema (im Stück "Die Stradafüßler"). Später siedelte sich das seit 1980 Serapions Theater genannte, stets internationale Ensemble aus Tänzern und Schauspielern im ehemaligen Vindobona-Kino am Wiener Wallensteinplatz an. Mit der Arbeit wuchsen die Fantasie und der Wunsch nach einem großzügigen Ort, den Kaufmann und Piplits schließlich in der Taborstraße fanden, wo sie 1988 das Odeon gründeten und diese ehemalige Brandruine unter großer privater finanzieller Aufwendung zu einer der imposantesten Spielstätten der Stadt aufbauten. Erste Produktion am Haus war damals das Stück "Axolotl Visionarr", das der risikoreichen Verrücktheit des ganzen Unterfangens einen schönen Namen gab. Zuletzt schuf Ulrike Kaufmann die Kostüme für Paulus Mankers "Wagnerdämmerung".

Ganz eigene Wege gehen

Ulrike Kaufmann hat mit dem Geist und der Kraft einer Gelsomina die Welt gelesen und neu erschaffen. Abseits jedweder Trends folgte sie mit den von ihr entworfenen Kostümen und Bühnenbildern und auch in ihrer Kunst als Akteurin ganz eigenen Vorstellungen. Eine Haltung, die sich heute, in einer Zeit der maximalen Verwertbarkeit und Transportierbarkeit von Theater, nicht mehr viele leisten. Es sind oft vergessene, alte Geschichten (auch anderer Kulturen), aus denen das Serapions Theater die Welt neu zu entdecken versuchte. Dafür ging Kaufmann keine Kompromisse ein; wenn es sein musste, knüpfte sie auch Teppiche selbst (für "Nemo, nemo loquitur" 1999) oder entwarf irrlichternde, gigantisch riesige Prospekte und sich wandelnde Vorhänge ("Com di com com", 2007). Gemalt hat sie Sohn Max Kaufmann.

Der 1953 in Gai in der Steiermark geborenen Theatermacherin, die nach einer Grafikausbildung an der Akademie der bildenden Künste Bühnenbild studierte, wurden viele Ehrungen zuteil, darunter die Kainz-Medaille und insgesamt drei Auszeichnungen beim Nestroy-Preis, den letzten 2010 gemeinsam mit Erwin Piplits für das Lebenswerk.

Mit Ulrike Kaufmanns Tod zerbricht der Kern des Serapions Theaters. (afze, DER STANDARD, 22.12.2014)