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In der neu gestalteten Shopping City Süd gilt für die meisten Läden das Mietrechtsgesetz. In anderen Einkaufszentren kann niemand mit Sicherheit sagen, ob man Geschäftsinhaber kündigen kann, wenn sie nicht mehr in den gewünschten Ladenmix passen.

Foto: APA/Techt

Wien - In der jüngsten Mietrechtsnovelle, die am 1. Jänner 2015 in Kraft tritt, werden zwar einige Detailfragen wie die Kostenübernahme von Thermenreparaturen geklärt, aber die längst überfällige Reform des Mietrechtsdschungels wurde weiter aufgeschoben.

Eines der reformbedürftigen Themen, das nicht nur die Gerichte seit Jahrzehnten beschäftigt, ist die Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht. Die Frage ist deshalb so brisant, weil Mieter von Geschäftsräumen den gleichen Schutz wie Wohnungsmieter genießen, sofern sie in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fallen. Das ist vor allem bei den Kündigungsgründen relevant. Bei (auch unbefristeten) Verträgen, die dem Mietrechtsgesetz unterliegen, kann der Vermieter nur aus den gesetzlich vorgesehenen wichtigen Gründen kündigen, selbst wenn die Parteien andere Kündigungsgründe vereinbart haben. Der Zulässigkeit der Kündigung geht daher meist die Frage voran, ob der Vertrag unter den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fällt.

Die Frage Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht stellt sich insbesondere bei Einkaufszentren. Im Regelfall stehen sich hier zwei Unternehmer gegenüber, auf Mieterseite meist potente Handelsketten. Wie schutzwürdig solche Unternehmen sind, ist fraglich. Fraglich ist daher auch, weshalb solche Bestandverhältnisse dem Mietrechtsgesetz unterliegen sollen - das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch sollte hier ausreichen.

Ob ein Einkaufszentrum erfolgreich ist oder nicht, liegt vorwiegend am Branchen- und Markenmix im Center. Der Vermieter - und wohl die Gesamtheit der Mieter, die von einem gutgehenden Center profitieren - hat daher ein besonderes Interesse, diesen Mix aktiv zu beeinflussen und sicherzustellen, dass die Geschäfte unter den vertraglich vereinbarten Bezeichnungen zu den Öffnungszeiten des Einkaufszentrums betrieben und die vertraglich vereinbarten Waren und Marken auch tatsächlich geführt werden. Kommt der Mieter diesen vertraglichen Pflichten nicht nach, soll es dem Vermieter möglich sein, den Vertrag zu kündigen.

Die Judikatur zur Frage Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht ist ebenso vielfältig wie kasuistisch. Ging die Tendenz in den Neunzigerjahren bei Bestandverträgen in Einkaufszentren eher in Richtung Unternehmenspacht, ruderte der Oberste Gerichtshof in den letzten Jahren wieder zurück. Für Unternehmenspacht sprechen laut Höchstgericht die Betriebspflicht, die Übergabe eines lebenden Unternehmens, die Bereitstellung eines Kundenstocks sowie die Bereitstellung der erforderlichen Genehmigungen durch den Vermieter. Für eine Geschäftsraummiete wiederum spricht die Übergabe leerer Räumlichkeiten. Gerade in Einkaufszentrum sprechen daher bestimmte Kriterien für eine Unternehmenspacht - insbesondere die Betriebspflicht -, andere jedoch für eine Geschäftsraummiete: Meist werden die Räumlichkeiten als Edelrohbau und somit leer übergeben. Und es stellen sich meist schwer lösbare Fragen. Denn was ist in einem Einkaufszentrum als lebendes Unternehmen zu verstehen? Wer generiert den Kundenstock? Die einzelnen Unternehmer oder der Einkaufszentrum-Betreiber, der durch die Gesamtwerbung und den Branchenmix das Kundenverhalten beeinflusst?

Ratloses Bezirksgericht

Eine eindeutige rechtliche Qualifikation, ob es sich im konkreten Fall um ein Miet- oder ein Pachtverhältnis handelt, ist nicht leicht möglich. Zu dieser Erkenntnis kam erst kürzlich das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, das diese Frage schlussendlich offenließ, und eine Kündigung durch den Vermieter aus wichtigem Grund nach § 1118 ABGB (erheblich nachteiliger Gebrauch der Bestandsache) zuließ. Mag die Entscheidung für den Vermieter befriedigend sein - denn der Räumung wurde stattgegeben -, für den Rechtssuchenden ist sie das nicht. Wenn nicht einmal ein Gericht eine rechtliche Qualifikation treffen kann, wer dann?

Eine klare gesetzliche Regelung - etwa eine Ausnahme aus dem Mietrechtsgesetz von Bestandverhältnissen in Einkaufszentren - könnte Rechtseinheit und Rechtssicherheit schaffen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. (Birgit Kraml, DER STANDARD, 22.12.2014)