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Quartiernahme im März 2013: Vertreter der Flüchtlingsprotestbewegung ziehen ins Wiener Servitenkloster.

Wien - Obdachlos werde in Österreich auch über Weihnachten kein Asylwerber sein, beruhigt man im Innenministerium. Doch bis Jahresende werde man 1000, bis Mitte Jänner 2500 zusätzliche Plätze brauchen, um alle neu in Österreich um Schutz Ansuchenden, darunter viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, unterzubringen: "Das besagen unsere Prognosen, die wir auf Grundlage der Antragszahlen in den vergangenen Wochen erstellt haben", erläutert ein Ministeriumssprecher.

Die Suche nach Quartieren ist umso dringlicher, als das Ministerium vergangenen Donnerstag endgültig den Plan begraben musste, 900 Flüchtlinge in der Badener Martinek-Kaserne unterzubringen. Was schon seit Monaten kolportiert worden war, bestätigte eine an diesem Tag stattgefundene Begehung: Das Gebäude verfügt über keine Heizung mehr, die sanitären Anlagen müssten total erneuert werden.

"Pfarrhöfe, Klöster und Stifte"

Daher hoffe sie nun auf "Signale der Kirche, um auch Pfarrhöfe, Klöster und Stifte" als Wohnmöglichkeit nutzen zu können, wiederholte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) daraufhin in einem Presse -Interview eine Aufforderung von vor mehreren Monaten. Hier sei noch einiges Potenzial vorhanden, denn bei Fahrten durchs Land werde sie immer wieder "darauf angesprochen, dass Pfarrhöfe leerstehen". Der Quartier-Appell ergehe nicht nur an die katholische Bischofskonferenz und ihren Vorsitzenden Kardinal Christoph Schönborn, sondern "an alle Kirchen", ergänzt besagter Ministeriumssprecher.

Sowohl bei Katholiken als auch bei Protestanten, die beide in der Asylwerber-Betreuung aktiv sind, stößt das auf Kritik: "Das Pfarrhof-Argument ist polemisch, denn so viele leerstehende Pfarrhöfe gibt es gar nicht: Lebt in einem Ort kein Pfarrer mehr, sind die Gebäude vielfach vermietet oder verkauft", sagt Schönborn-Sprecher Michael Prüller im STANDARD-Gespräch.

150 Kriegsflüchtlinge im Kloster St. Gabriel

In den aktiven Pfarren wiederum geschehe bereits einiges. So zum Beispiel in Mödling sowie in sieben Vorarlberger Pfarren, wo überall Asylwerber aufgenommen wurden. Detto im Maria Enzersdorfer Kloster St. Gabriel, das 150 Kriegsflüchtlinge aus Syrien betreut.

"In Österreich steht keine einzige protestantische Pfarre leer", meint wiederum Michael Chalupka, Direktor der evangelischen Diakonie. Außerdem: "Diakonie und katholische Caritas zusammengenommen stellen derzeit 4050 Grundversorgungsplätze zu Verfügung, plus 560 seit Sommer 2014." Statt "in der Vorweihnachtszeit mit dem Finger auf andere zu zeigen" brauche es vielmehr "eine langfristige staatliche Unterbringungsstrategie" und "die dazu notwendigen Finanzmittel".

Tagsatz steigt - erst 2016

Damit spricht Chalupka den Umstand an, dass der Basis-Tagsatz für die Grundversorgung von derzeit 19 Euro pro Asylwerber zwar auf 20,50 Euro erhöht werden soll - aber dies erst im Jänner 2016. Die Tagsatzerhöhung solle auf 2015 vorgezogen werden, fordert nun Klaus Schwertner, der Generalsekretär der Wiener Caritas. Dann werde es wohl allgemein mehr Unterbringungsangebote geben. (Irene Brickner, DER STANDARD, 22.12.2014)