Wien - In Memphis, erzählt der von dort stammende Musiker Tav Falco, funktionieren Studios anders als im Rest der Welt. Man treffe sich lose verabredet, hänge gemeinsam ab, trinke, rauche und fange irgendwann an, herumzuspielen. Einmal schauen, was passiert. Aus dieser Haltung heraus sind in Memphis, Tennessee, etliche Meisterwerke der Populärmusik entstanden, viele davon in den Ardent Studios.
Über 70 mit Gold und Platin ausgezeichnete Alben wurden dort aufgenommen, und selbst einige kommerzielle Flops befinden sich heute im Kultstatus - etwa jene von Big Star. Jonathan "John" Fry, der Gründer des Ardent Studios, ist nun gestorben.
Geboren am 31. Jänner 1944, eröffnete er seine Firma in der Garage seiner Eltern. Genau wie sein Schulfreund Fred Smith. Aus einem Experiment ging Federal Express (Fedex) hervor, aus Frys wurde das Ardent Studio sowie das Label Ardent Records.
Ab Mitte der 1960er-Jahre gingen bei Ardent große und kleine Stars ein und aus. Fry, dem ein integratives, offenes Wesen attestiert wurde, übernahm erfolgreich etliche Aufnahmesessions für das prosperierende Soul-Label Stax. Stars wie Isaac Hayes, Sam and Dave oder die Staples Singers fuhren zu Ardent rüber, wenn das Stax-Studio wieder einmal heillos überbucht war.
In den frühen 1970ern produzierte Fry schließlich eine weiße Band aus der Nachbarschaft: Big Star. Ihr Debüt #1 Record wurde zwar genau das nicht, heute gilt es als Meisterwerk, als Blueprint des Power-Pop, das die Qualitäten der Beatles mit Südstaaten-Feeling vermählte.
Fry galt in den fünf Jahrzehnten seines Wirkens als großer Ermöglicher. Viele Künstler sahen in ihm einen Mentor, der, wie sein Freund Jim Dickinson, daran interessiert war, die magischen Momente einer Band festzuhalten. Das hat er getan. Für hunderte Musiker. Darunter waren Al Green, ZZ Top, Soundgarden, Led Zeppelin, The Cramps, Cat Power, Bob Dylan, Pavement, Mudhoney, R.E.M., die White Stripes und, und, und.
Mit Genugtuung nahm er den Einfluss von Big Star wahr, für deren Erbpflege er 2009 das Box-Set Keep an Eye on the Sky produzierte und 2013 die vielfach preisgekrönte Doku Nothing Can Hurt Me: The Big Star Story.
Bis zuletzt führte er persönlich durch das am längsten bestehende Aufnahmestudio von Memphis, war infizierend euphorisch, obwohl viele seiner Freunde und Begleiter in den letzten Jahren gestorben waren. Nun ist John Fry einem Herzstillstand erlegen. Er wurde 69 Jahre alt. (Karl Fluch, DER STANDARD, 22.12.2014)