Wien - Bilanz zu ziehen ist ein eher passiver Vorgang. Man fasst zusammen und rechnet auf. Außer man greift ein und frisiert die Bilanz, dann wird man zum Akteur. Nicht nur auf die über die Jahre unverändert getragene, inzwischen erblichene Haartracht, sondern darauf beruft sich der Name des ersten Soloprogramms in Florian Scheubas 33-jähriger Karriere als Kabarettist: Bilanz mit Frisur. Am Freitag hatte es im Rabenhof Premiere.

Frisieren tut Scheuba seine Bilanz mittels Satire. In Entsprechung zu deren Wesen zwischen Fakt und Fiktion ist der Platz des Kabarettisten im Bühnenbild "zwischen den Stühlen". Hier hat er sich seinen Thonetstuhl und sein Tischchen ("Kein Krug, kein Wasserglas, keine Lesung!") eingerichtet.

An, auf und vor diesem Tisch wird vor allem durch die 2000er-Jahre politisiert und parodiert. Da kann Scheuba, abgesehen vom manchmal allzu didaktischen Habitus, nichts vorgeworfen werden. Eurofighter und Gegengeschäfte, Föderalismus und Erwin Pröll, Boulevardpresse und Regierungsinserate, Stronach, Strache, Faymann, Bandion-Ortner und, und, und.

Er setzt da an, wo es ächzt im Gebälk der Republik als Res publica. Dass die Nummern ein Best-of sind, tut ihrer Aktualität deshalb keinen Abbruch. Als kritisch recherchiertes, faktenorientiertes und beinahe investigatives Kabarett stellen sie über den konkreten Anlassfall hinaus die strukturellen Probleme des Landes als "Haben" einem "Soll" gegenüber. Ergebnis: ein tiefweißes Minus auf rotem Grund.

Dafür gibt es Gelächter, starken Applaus, mitunter minütlich. Nicht bloß, wenn Strache statt eines Bildungswegs genüsslich ein "Bildungsschritt" attestiert wird, kann es passieren, dass Kabarett zur distinguierten Version eines Stammtisches selbsterkannter Intellektueller wird. Man haut verbal bevorzugt auf Politiker ein, Kabarettist und Publikum bestätigen einander in ihrer Meinung, und jeder weiß schon am Anfang, zu welchem Schluss das Ganze führen wird.

Das ist, angesichts eines derart politischen Programms, verstörend populistisch - es ist dieselbe, halt nach oben transponierte "horizontale Hierarchie", der Scheuba Armin Assingers Erfolg zuschreibt.

Doch kann der 50-jährige Scheuba im Grunde nichts dafür, denn der Stoff existiert. Gerade weil ihn die Medien in manchen Fällen aber nicht aufgreifen, ist Bilanz mit Frisur ein Kabarett, das stellenweise im besten Sinn eigentlich zu relevant für ein Kabarett ist, zu dem der Schenkelklopfer gehört. Denn dabei folgt der Empörung das Gelächter. Und mit dem Gejohle lässt die Spannung nach, man hat sich abreagiert. Dabei (er)fordert Scheuba eigentlich ein Handeln. (Michael Wurmitzer, DER STANDARD, 22.12.2014)