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Türkische Ex-Minister als Panzerknacker auf Protestplakaten der Opposition (von li.): Güler, Bagiş, Caglayan, Bayraktar.

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Ankara/Wien – Sieben Tresore und eine Milliarde Lira (350 Millionen Euro) cash im Schlafzimmer sind schon ein merkwürdiges Wohnungsinventar. "Mein Sohn macht Immobiliengeschäfte, gemeinsam mit dem Nachbarn", erklärt Muammer Güler, der frühere türkische Innenminister. Erstaunlich auch, dass 2,5 Millionen Lira, die der Bruder des früheren Wirtschaftsministers Zafer Caglayan von einem dubiosen Geschäftsmann erhält, nur zwei Tage später auf dem Konto des Ministers landen. "Mein Bruder hat Schulden zurückgezahlt, die er bei mir hatte", fällt Caglayan ein. Ob zutrifft, dass er eine halbe Million Dollar für die Vermittlung von Schengenvisa erhalten habe, wird Egemen Bagiş, der frühere EU-Minister, gefragt. "Kann ein Visum 500.000 Dollar kosten?", fragt Bagiş zurück.

Vorstellbar ist so einiges für die türkische Öffentlichkeit nach knapp zwei Monaten Arbeit der parlamentarischen Untersuchungskommission, die sich mit den Korruptionsvorwürfen gegen vier ehemalige Minister des ehemaligen Regierungschefs Tayyip Erdogan beschäftigen soll. Und wahr sei natürlich nichts an den Vorwürfen der Bestechlichkeit und des Amtsmissbrauchs, so versicherten die Exminister empört bei den Anhörungen.

Am 17. Dezember 2013 war der Sturm losgebrochen: 53 Personen nahm die türkische Polizei bei Razzien in Istanbul und Ankara fest, darunter die Söhne der Minister Caglayan, Güler und Bayraktar sowie einen Geschäftsmann namens Reza Sarraf, der mit einem türkischen Starlet verheiratet ist. Sarraf, so stellte sich schnell heraus, war nicht nur mit den Ministersöhnen geschäftlich verbunden, sondern auch deren Vätern gefällig.

Vorwurf illegaler Goldgeschäfte

Caglayan etwa bekam von Sarraf eine Luxusuhr für rund 250.000 Euro. Er habe keine Zeit gehabt, die Armbanduhr selbst zu besorgen, erklärte der Ex-Wirtschaftsminister im Ausschuss. Vergangenen November musste Caglayan immerhin rund 88.000 Euro beim türkischen Zoll für sein Juwel am Handgelenk nachzahlen. Die Vorwürfe sind ernst: Caglayan soll illegale Goldgeschäfte Sarrafs mit dem Iran über die Türkei gedeckt, Güler und Bagiş Aufenthaltstitel für Sarrafs Verwandte besorgt haben; Bauminister Bayraktar erteilte angeblich illegale Baugenehmigungen.

Es wurde die bisher größte Korruptionsaffäre in der Geschichte der Türkei – zumindest gemessen an den politischen Folgen. Tayyip Erdogan, mittlerweile Staatspräsident, verschärfte noch einmal seinen autoritären Kurs. Tausende von Polizeibeamten, Richtern und Staatsanwälten wurden zwangsversetzt, die Ermittlungen niedergeschlagen, die Justiz per Gesetzesänderung unter die Kontrolle des Justizministers gestellt.

Erdogans Vorwurf: Das Netzwerk, das der Prediger Fethullah Gülen im türkischen Staat unterhalte, habe Telefongespräche abgehört – auch jene Erdogans – und aus zusammenmontierten Mitschnitten eine Korruptionsaffäre konstruiert. Am Montag sollte der Parlamentsausschuss über eine Überweisung der vier Exminister an den Höchsten Staatsrat abstimmen. Erdogans Partei hat dort die Mehrheit. Ebenso wie im Plenum, das anschließend über ein mögliches Strafverfahren abstimmt. Der Ausschuss vertagte am Abend seine Entscheidung auf den 5. Jänner. Es gebe weitere offene Fragen über das Vermögen von Bagiş, Caglayan und Güler, berichtete am Dienstag die Tageszeitung "Taraf". (Markus Bernath, DER STANDARD, 23.12.2014)