Wer singt, weiß es selbst, dass Singen glücklich macht, alle anderen können es hier nachlesen - um dann vielleicht auch zu singen zu beginnen.

Foto: Psychosozial-Verlag

Die Menschen in der westlichen Welt singen zu wenig, und schuld daran ist die permanente Beschallung aus Fernsehen und Radio. Das ist schade, findet der Oldenburger Musikwissenschafter und hat ein Buch darüber geschrieben, warum Singen nicht nur glücklich sondern auch gesund macht.

Dabei ist er sehr systematisch an die Sache herangegangen. Konkret beginnt er bei der Evolution und der Tatsache, dass Singen eine jener Fähigkeiten ist, die den Menschen von den Tieren unterscheidet. Wer nun einwerfen will, dass auch Vögel singen, irrt: Dort hat der Gesang eine ganz andere Aufgabe.

Jedenfalls erlaubt uns der Autor dieses Buches Einblick in ein Instrument, über das theoretisch jeder Mensch verfügt. Die Stimme so etwas wie ein akustischer Fingerabdruck jedes einzelnen. Schließlich stammt auch das Wort "Person" vom Lateinischen ab und bedeutet "Durchtönen".

Singen als Faktor für Wohlbefinden

Doch Gunter Kreutz hat sich in diesem Büchlein vorgenommen, das Singen hinsichtlich seiner gesundheitlichen Wirkung zu beleuchten. Er beginnt in der Hirnforschung, trägt Studien und Versuchsanordnungen zusammen, die zeigen, welch umfassenden Sinneseindruck das Singen im Gehirn darstellt. Text und Ton gehen eine Einheit ein und sind so tief vernetzt, dass Menschen, die die Sprache verloren haben (etwa bei Demenzerkrankungen) dennoch immer noch Singen können.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Autor dieses Buches ein ganzes Kapitel der Rolle des Singens im Kindesalter gewidmet hat. Es ist ein unverholenes Plädoyer fürs Vorsingen. Schon bei Babys senkt Vorsingen den Cortisolspiegel und beruhigt, zudem fördert es die Sprachentwicklung, denn die Stimme ist vor allem im Kleinkindalter ein wichtiges Regulationsorgan.

Kreutz hat aber auch die psychoimmunologische Wirkung des Singens durchleuchtet und auch hier Studien vor allem vom Chorsingen zusammengetragen. Ein Schlüsselbegriff in diesem Buch ist Wohlbefinden.

Dass Singen genau dieses Gefühl auslöst, dafür hat Kreutz eine ganze Reihe von Untersuchungen zusammengetragen. Wohlbefinden löst ein Gefühl der sozialen Geborgenheit aus, das wiederum wirkt sich auf die Stimmung eines Menschen und schlussendlich auch auf sein Immunsystem aus.

Casting-Shows gefährden Singen

Auch die Körperhaltung und die Atmung werden positiv beeinflusst - insofern kann das Trällern von Liedern sogar für COPD-Patienten eine positive Wirkung haben. Und: Ein Kapitel für alle, die sagen "Ich kann nicht singen" hat Gunter Kreutz auch geschrieben.

Denn er ortet in den allgemein beliebten Casting-Shows, in denen Menschen aufgrund ihrer stimmlichen Qualitäten abgeurteilt werden, eine der größten Gefahren. Nur vier Prozent aller Menschen können nicht singen, weil sie an einer so genannten Amusie leiden. Alle anderen brauchen nur üben - um glücklich zu werden. (Karin Pollack, derStandard.at, 23.12.2014)