Christian Rainer ist seit 1998 Chefredakteur des "profil".

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Wien - "Null Kollisionspotenzial" erwartet "profil"-Chefredakteur Christian Rainer von der Neuausrichtung des Wochenmagazins "News". Er geht davon aus, dass sich "News" nicht von der Position eines breiten General Interest Magazins verabschiedet. "Die Überschneidung der Leser zwischen 'profil' und 'News' war nie besonders groß und wird auch in Zukunft nicht besonders groß", sagte Rainer im APA-Interview.

Im kommenden Jahr werde man bei "profil" eine "Paywall für bestimmte Inhalte" installieren. "Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass wir damit einen deutlich spürbaren Beitrag zum Umsatz leisten, aber wir sollten auch nicht zur Förderung der Gratiskultur im Internet beitragen. Wir produzieren hier keinen Gratisjournalismus", so der "profil"-Chefredakteur. Eine "Ablaufzeit" für seinen Job als "profil"-Chefredakteur sieht Rainer nicht. "Und wenn es wahr ist, was mir Geschäftsführer und Eigentümer sagen, dann sehen die auch keine Ablaufzeit."

2014 war für Magazin-Chefredakteure kein gutes Jahr. Dominik Wichmann vom "Stern", Wolfgang Büchner vom "Spiegel", Jörg Quoos von "Focus" und Wolfgang Ainetter von "News" wurden abgelöst. Wie lange ist Christian Rainer noch "profil"-Chefredakteur?

Rainer: Ich sehe keine Ablaufzeit, und ich habe auch keinen Veränderungswillen. Und wenn es wahr ist, was mir Geschäftsführer und Eigentümer sagen, dann sehen die auch keine Ablaufzeit.

Sie machen den Job inzwischen ewig und ein Jahr. In der kurzlebigen Medienbranche eher ungewöhnlich ...

Rainer: Ich bin seit Juli 1998 Chefredakteur des "profil". Den "trend" hatte ich ein Jahr zuvor übernommen. Es ist kein Mythos, dass ich längst dienender Chefredakteur Österreichs bin, und ich wüsste nicht, wer in Deutschland länger Chefredakteur wäre. Ja, das ist in Zeiten wie diesen ungewöhnlich, und wenn ich mir die Halbwertszeit deutscher Chefredakteure anschaue, ist das sogar sehr ungewöhnlich. Normalerweise ist es ja so, dass zuerst der Chefredakteur und dann der Geschäftsführer geht. In den 16 Jahren, die ich jetzt hier bin, sah ich acht Geschäftsführer kommen und gehen, und ich durfte bleiben.

Das liegt vielleicht auch daran, dass von Eigentümerseite Raiffeisen-Legende Christian Konrad die schützende Hand über Sie hält ...

Rainer: Es gab in diesen 16 Jahren ein einziges Mal einen Zeitpunkt, zu dem mein Job gefährdet war, weil ein Manager dieses Hauses eine Geschichte verhindern wollte. Aber bevor ich den Job verloren hätte, hätte Christian Konrad dafür gesorgt, dass dieser Manager den Job verliert. Es ist immer sinnvoll, ein gutes Verhältnis zu den Eigentümern zu pflegen. Nicht nur, weil die Eigentümer mein täglich Brot bezahlen, sondern weil ich Verantwortung gegenüber den Eigentümern habe. Verantwortung, was die Rendite des Unternehmens betrifft, und Verantwortung, was die Medienmarke "profil" im Portfolio der Verlagsgruppen News und Kurier betrifft. Darüber hinaus ist Christian Konrad auch so etwas wie ein väterlicher Freund, aber wir trennen dieses Quasi-Verwandtschaftsverhältnis und das berufliche Verhältnis penibel.

Welche Geschichte wollte dieser News-Manager verhindern?

Rainer: Es ging um eine "profil"-Geschichte vor nicht ganz einem Jahrzehnt über eine Person, die ein Naheverhältnis zur News-Gruppe hatte, und jener Manager, der längst anderswo werkt, hat auf meine Handy-Mailbox klugerweise den Satz gesprochen, "Ich behalte mir vor, in den Druckprozess einzugreifen." Das heißt, jener Manager war drauf und dran, den Druck von "profil" zu stoppen.

Was wurde aus der Geschichte?

Rainer: Die Geschichte ist ganz normal erschienen.

Trotzdem stellt sich die Frage, ist es gut, dass der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "profil" heute derselbe ist wie vor 16 Jahren?

Rainer: Für mich ist es gut, weil ich den schönsten journalistischen Job habe, den Österreich bieten kann. Mit dieser Redaktion zu arbeiten, ist eine Auszeichnung. Und ich denke, es hat auch "profil" eher genützt als geschadet, weil Kontinuität ein hohes Gut ist, gerade, wenn es darum geht, eine Marke zu führen und zu stärken. Und worum sonst geht es in Zeiten wie diesen. Mit Tausend-Kontakt-Preisen allein wird man die Medienwelt nicht gewinnen. Es geht um Inhalte, Glaubwürdigkeit und die Marke, und dabei ist die Kontinuität der Redaktion aber auch des Führungspersonals einer der wichtigen Punkte.

Wurden Sie eigentlich auch gefragt, die News-Chefredaktion zu übernehmen?

Rainer: Über die News-Chefredaktion sind viele Gespräche geführt worden, aber ein konkretes Gespräch über die News-Chefredaktion habe ich nicht geführt. Die Aufgabe, die Eva Weissenberger dort übernimmt, ist sicherlich eine verlockende, aber nicht eine verlockende, wenn man die Alternative hat, "profil"-Chefredakteur zu sein. Da ist die tägliche Herausforderung voll und ganz befriedigend. Aus der Position Weissenbergers verstehe ich es allerdings, weil Klagenfurt als Ort nicht ewig spannend bleibt und Wien und die Aufgabe, "News" wieder auf festere Beine zu stellen, sicherlich nachhaltig verlockende Aussichten sind.

"News" hat zuletzt das Segment "gehobener Boulevard" beackert. Nun soll es höher positioniert werden und künftig samstags statt donnerstags erscheinen. Kommen sich "profil" und "News" da nicht gegenseitig ins Gehege?

Rainer: Überhaupt nicht, weil das, was Horst Pirker als qualitativ hochwertiger bezeichnet hat, ja nicht die Verabschiedung von einem breiten General Interest-Magazin meint, sondern die Frage der journalistischen Qualität. Ich erwarte nicht, dass "News" sein Segment verlässt, das wäre auch nicht klug für "News". Ich erwarte aber und freue mich darauf, dass dort qualitätsvoller Journalismus gemacht wird. Der Samstag wiederum bietet sich als Lesetag an. Die Überschneidung der derzeitigen Leser zwischen "profil" und "News" war nie besonders groß und wird auch in Zukunft nicht besonders groß sein. Ich freue mich darauf, dass Eva Weissenberger das "News" machen wird, "profil" sehe ich da aber in keiner Weise tangiert. Eine zusätzliches Produkt, das qualitativ hochwertigen Journalismus bietet, kann nur eine Benchmark sein, über die sich die "profil"-Redaktion freut. Am Leser- und Anzeigenmarkt sehe ich aber null Kollisionspotenzial.

Wo sehen Sie Konkurrenz?

Rainer: Die Konkurrenz am Anzeigenmarkt ist natürlich das Online-Geschäft, weil die Werbegelder durch den digitalen Umbruch für alle weniger werden. Am Lesermarkt sehe ich bei "News" vor allem die Gratistageszeitungen als Konkurrenz. Die Aufgabe wird es sein, Tagesfreizeit von Menschen zurückzugewinnen, die diese Freizeit derzeit nicht "News" widmen, es früher aber getan haben. Und da ist der Samstag sicher ein besserer Erscheinungstag als der Donnerstag.

Ein Problem bei "News" war in den vergangenen Jahren der massive Personalabbau. Wie stark ist die "profil"-Redaktion in den 16 Jahren Ihrer Amtszeit geschrumpft?

Rainer: Ich schätze, dass die "profil"-Redaktion damals Ende der 1990er-Jahre um rund 50 Prozent größer war. Wir verfügen heute über gut 25 ständig schreibende Journalisten für Print und Online. Wir haben bei Einsparungen im Redaktionsbudget schon sehr früh begonnen als wir noch zweistellige Renditen abliefern durften. Jeder Euro und Cent wurden dort umgedreht, wo es nicht unmittelbar um Menschen ging. Wir haben Stellen nicht nachbesetzt, es gab freundlich vereinbarte Änderungskündigungen, ohne dass es Spitz auf Knopf stand, und wir haben klug gemanagt. So haben wir über die letzten Jahre in absoluten Zahlen ein Drittel des Redaktionsbudgets eingespart, obwohl Quinquennien und KV-Erhöhung hinzukamen. Aber es hat in 16 Jahren nie das gegeben, was man Sparwelle nennt.

Hat sich dieses Programm negativ auf die Qualität des "profil" ausgewirkt?

Rainer: Ich denke, dass dieses Programm erfolgreich war. Wenn ich mir heute das "profil" anschaue, habe ich nicht das Gefühl, dass das eine schleißiger oder weniger spannend gemachte und schlechter gewordene Zeitschrift ist. In der Verklärung wirkt es vielleicht manchmal so, aber ich rate jedem, ein "profil" von vor 16 Jahren herzunehmen und anzuschauen. Da ist das heutige "profil" sicher das Produkt, das es sein soll.

Aber ist "profil" nicht viel breiter geworden?

Rainer: Nein, "profil" war am breitesten in den Jahren des Magazinkriegs um das Jahr 2000, als wir Handy-Tests am Cover darboten und um eine breite Leserschicht buhlten. Damals haben wir das Magazin auf eine Reichweite von neun Prozent geschraubt, später wieder auf seine natürliche Reichweite von sechs Prozent zurückgeführt. Und in den 1970er-Jahren hatte "profil" mehr Sex am Cover. Es stimmt, dass es heute vielleicht mehr Wissenschafts- und Gesellschaftstitel gibt und Berichte aus den Parteizentralen weniger wichtig geworden sind. Politische und wirtschaftliche Themen sind aber nicht weniger geworden. Wir konzentrieren uns freilich mehr und mehr aufs Abogeschäft, weil langfristige Abonnenten die wichtigste Klientel sind. Die Frage, wie schreiend oder laut muss ein Cover sein, tritt so zum Glück zunehmend in den Hintergrund.

Wohin wird sich "profil" inhaltlich positionieren?

Rainer: Wir steuern noch mehr in Richtung Thesen, Analyse und Agenda Setting. "profil" war immer ein meinungsgetriebenes Produkt. Das war früher weise, und es ist jetzt in Zeiten des Internet erst recht weise. Bei uns waren inhaltliche und optische Veränderungen aber immer ein evolutionärer Prozess.

In der jüngeren Vergangenheit gab es eine Häufung von Fehlern. Eine Story über Missbrauchsvorwürfe gegen Martin Bormann, den Sohn des gleichnamigen Hitler-Sekretärs, stellte sich im Nachhinein als falsch heraus. In der Kuvert-Affäre um Landeshauptmann Hans Niessl musste "profil" seine Vorwürfe widerrufen und wurde vor Gericht verurteilt. Und im Zusammenhang mit einer Grippeschutzmasken-Aktion des Gesundheitsministeriums musste "profil" mit dem Ausdruck des Bedauerns den Vorwurf zurückziehen, die damalige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat hätte ihrem Mann Alfons Mensdorff-Pouilly im Rahmen der Aktion finanzielle Vorteile verschafft. Bei der "New York Times" würden bei einer derartigen Häufung vermutlich Köpfe rollen?

Rainer: Da widerspreche ich heftig. Alle Medien machen Fehler. Die "New York Times" und das "profil". Ich sehe die Häufung von Fehlern jedoch nicht. Wir berichteten zunächst über einen konkreten Vorwurf gegen Bormann, aber auch darüber, dass sich dieser als unhaltbar erwies. In der Story über Niessl haben wir schlicht über Behauptungen eines höchstrangigen Managers berichtet, das ist inzwischen mit dem burgenländischen Landeshauptmann auch persönlich geklärt. Und in der Grippeschutzmasken-Aktion sahen wir eine Unvereinbarkeit und schiefe Optik. Ich erkenne jedenfalls keine Häufung. Hier arbeiten absolute Profis.

News-Geschäftsführer Horst Pirker hat unlängst von "Hausaufgaben" bei "profil" gesprochen. Was hat er denn gemeint?

Rainer: Wir müssen unsere Hausaufgaben im Onlinebereich erledigen und über das Thema Monetarisierung nachdenken. Wir werden voraussichtlich Mitte kommenden Jahres versuchen, eine Paywall für bestimmte Inhalte zu installieren. Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass wir damit einen deutlich spürbaren Beitrag zum Umsatz leisten, aber wir sollten auch nicht zur Förderung der Gratiskultur im Internet beitragen. Wir produzieren hier keinen Gratisjournalismus.

Innenpolitik-Ressortleiter und Chefredakteur Herbert Lackner geht demnächst in Pension. Wer folgt ihm nach?

Rainer: Herbert Lackner geht mit Ende Februar nach einem der tollsten Journalistenleben in der Geschichte Österreichs in Pension. Er wird aber weiter auf freier Basis möglichst viel für "profil" schreiben. Die Entscheidung, ob und mit wem nachbesetzt wird, fällt im Jänner. Es gibt theoretisch ja auch die Möglichkeit einer rotierenden Verantwortung, wahrscheinlicher ist aber, dass es eine Nachfolge als Ressortleiter gibt. Lackners Funktion als Chefredakteur wird nicht nachbesetzt.

Es gibt in der Branche schon erste Stimmen, die meinen, Christian Rainer macht sicher keine Frau zur Innenpolitik-Ressortleiterin des "profil". Was sagen Sie denen?

Rainer: Als selbstbewusster Mann schätze ich selbstbewusste Frauen. Aber beides ist möglich.

Ist die Mediengattung Zeitung gefährdet?

Rainer: Es wird eine Auslese geben, und nur Printmedien, die eine starke Marke und Community auf Basis eines echten USP haben, werden überleben. Für jene Medien, die diese Hausaufgaben gemacht haben, sehe ich eine wirklich gute Zukunft. Magazine sollten es dabei leichter haben als Tageszeitungen. (APA/Johannes Bruckenberger, 23.12.2014)