Der Amnesty-Bericht über die Folter und Versklavung junger jesidischer Mädchen und Frauen durch die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" im Irak macht offiziell, was bereits seit August 2014 berichtet wurde: dass viele der selbsternannten islamistischen Kämpfer der IS vor keiner denkbaren Brutalität gegen Frauen der verachteten Gruppe "Ungläubiger" zurückschrecken.

Die Schilderungen der 42 dem IS-Terror entkommenen Frauen und Mädchen, die Amnesty zusammengetragen hat, sind herzzerreißend. Da ist von Zehn- bis Zwölfjährigen die Rede, die gezwungen wurden, "Tänzerinnenkleidung" anzuziehen – um anschließend vergewaltigt zu werden. Ein Mädchen sei dem entkommen, durch den Tod: Im Bad habe sie sich die Pulsadern aufgeschnitten und aufgehängt.

Morddrohung gegen Verwandte

Da erzählt eine 15-Jährige, mit welchem Argument ihre Peiniger sie vom Selbstmord abbrachten: "Sie sagten, wenn wir uns töten, töten sie unsere Verwandten."

Die Entkommenen, so der Bericht, seien durch die Bank schwer traumatisiert. Sie bräuchten dringend psychologische Hilfe. Doch immerhin: Sie konnten fliehen – während viele weitere Jesidinnen (laut Amnesty-Bericht mehrere hundert) nach wie vor in der Gewalt ihrer islamistischen Peiniger sind.

Internationale Verantwortung

Dieser Umstand weist auf die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft hin, Handlungen zu setzen, die dazu beitragen, dass das IS-Schreckensregime so rasch wie möglich ein Ende findet: In dem von Luftangriffen der US-Streitkräfte unterstützten Kampf der Peschmerga gegen die Extremistenmiliz geht es auch um die Befreiung dieser Frauen.

Deren Folter und Zerstörung ist integraler Teil der IS-Ideologie – auch das ist dem Amnesty-Bericht zu entnehmen: Die IS stellt ihren männlichen Anhängern einen Persilschin für Vergewaltigung, psychisches Kaputtmachen und In-den-Selbstmord-Treiben "gegnerischer" Frauen aus.

"Ungläubige Frauen stehen uns frei ..."

"Ungläubige Frauen stehen uns frei, nachdem sie der Imam verteilt hat. Ist sie eine Jungfrau, so kann er (ihr Herr) unmittelbar nach der Besitznahme Sexualverkehr mit ihr haben ...", lautet ein diesbezügliches, im Bericht zitiertes Schriftstück des "Büros für Forschung und religiöse Edikte" der IS. Hier wird der Zusammenbruch jedes zivilisierten Umgangs offen gerechtfertigt.

Diese Offenheit, die auch Teil der Einschüchterungsstrategie der IS ist, unterscheidet die Frauenversklavung im Irak vielleicht ein wenig von ähnlichen Verbrechen auf anderen aktuellen und ehemaligen (Bürger-)Kriegsschauplätzen. Tatsächlich ist systematisches Schänden und Vergewaltigen Begleiterscheinung von Kriegen, seit Menschen solche führen. Es ist gleichzeitig ein implizites Kriegsziel, weil der Zusammenhalt der gegnerischen Gesellschaft dadurch kaputtgemacht wird.

UN-Tribunale

Das hat 2008 auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erkannt: In der Resolution 1.820 wurde der Einsatz sexualisierter Gewalt erstmals als Kriegstaktik bezeichnet. Damit ist der Weg für Prozesse vor einem internationalen Tribunal frei. Vor einem solchen werden hoffentlich über kurz oder lang auch die Vergewaltiger der IS stehen. (Irene Brickner, derStandard.at, 23.12.2014)