Amouröse Ballwechsel am Plattensee: Die Fußballoperette "Roxy und ihr Wunderteam", die 1938 als "3:1 für die Liebe" ins Kino kam.

Foto: Thomas M. Jauk

"Wenn ich heftig schluchze, dann klingt das immer wie Lachen, es ist eine ungarische Familienkrankheit!" So entschuldigt sich der Fußballmäzen Baron Udvary in Paul Abrahams Operettenfilm Roxy und ihr Wunderteam vor seiner Freundin. Die hatte ihm nämlich gedroht, sich umbringen zu wollen. Eine schmissige, nicht enden wollende Lach-Arie setzt sogleich ein, für die der Operettenbuffo Oscar Denes in den 1930er-Jahren berühmt war: ein Lachen über dem Abgrund.

Der in Ungarn und Österreich hergestellte Film, im Januar 1938 unter dem Titel 3:1 für die Liebeerstmals in Wien gezeigt, war die letzte Koproduktion vor dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland. Neben Schauspielern wie Hans Holt als Fußballkapitän waren darin auch Sportler, wie der legendäre Austria-Mittelstürmer Matthias Sindelar zu sehen. Ein Jahr zuvor war - zum Teil mit den gleichen Mitwirkenden - in Budapest und dann im Theater an der Wien eine Bühnenfassung dieser Fußballoperette gelaufen.

Auch wenn es sich bei Roxy und ihr Wunderteam um eine zunächst sehr deprimierte ungarische Mannschaft handelt, die gegen Schottland ein Spiel haushoch verloren hat (in der allerersten Fassung handelt es sich sogar um eine Wasserpolo-Mannschaft), es war das österreichische "Wunderteam", das für Abrahams Sportstück Pate stand! Anfang der Dreißiger Jahre war die österreichische Nationalmannschaft 14 Spiele in Folge ungeschlagen geblieben und hatte dabei mit 6:0 vor allem Deutschland blamiert.

Die frivole Fußballoperette stellt in jener Zeit aber auch ein satirisches Gegengewicht zur Olympiade der Nationalsozialisten in Berlin dar: statt heroischer Sportgedanken - Zucht, Rasse, Sitte - kommt es zu wilden Liebesspielen, da im Trainingslager am Plattensee auch Pensionatsschülerinnen untergebracht sind.

Sport und Enthaltsamkeit

Sport und sexuelle Enthaltsamkeit, aber auch die Finanzierung des Teams, diese Fragen scheinen nichts an Aktualität eingebüßt zu haben. Von der angeblichen Seichtheit des Stoffes distanzierte sich Hans Weigel, der gemeinsam mit Alfred Grünwald das deutsche Libretto schrieb, später allerdings scharf; ja noch Weigels Erben haben sich deswegen gegen einer Wiederaufführung nach 1945 ausgesprochen.

Musikalisch ist es allerdings höchste Zeit, Abrahams meist frech, quirlig, nur hin und wieder melancholische Jazzoperette wieder auszugraben: geboten werden flotte Modetänze, viele Steppeinlagen, aber auch folkloristischen Nummern mit einem ungarischen Stehgeiger. Die Dortmunder Philharmoniker unter Philipp Armbruster sind also gefordert, eine durchaus anspruchsvoll raffinierte Komposition umzusetzen.

Abrahams Musik kann dabei ein unerwartet neues Bild auf die Operette der 1930er-Jahre werfen, wobei freilich das Notenmaterial auswendig rekonstruiert werden muss. Matthias Grimminger und Hennig Hagedorn kamen bei ihrer Rekonstruktion schon Erfahrung mit der wiederaufgefunden Originalpartitur des Weißen Rössls zupass. Statt müdem Abglanz auf eine goldene oder silberne Operettenzeit, ergibt sich - viel aufregender - eine Musik voller ironischer Brechungen und Wendungen.

Inszenierung und Textbearbeitung von Regisseur Thomas Enzinger zünden freilich nicht immer so. Zwar ist der schottische Geiz immer wieder Thema des Stücks, doch die Ausstattung wirkt allzu reduziert. So kümmern sich lediglich sechs Tänzerinnen als Pensionatsschülerinnen um die Fußballelf. Schnellen Aktualisierungen, aber auch Historisierungen geht man aus dem Weg, es bleibt nett choreographiertes Kostümtheater, unterbrochen von einer biederen Kabaretteinlage.

Auch wundert es, wie wenig der Fußballenthusiasmus der Fußballstadt Dortmund, die gerade mit ihrer Borussia einen herzbewegenden Kampf gegen den Abstieg aus der ersten Liga führt, auf die Bühne dringt. Intellektueller Fußball und Theater schienen sich um 1938 näher zu sein. Am vergnüglichsten sind allerdings die Szenen mitten auf dem Plattensee: die Bühne kann offensichtlich leichter zum Gewässer werden als zum Fußballfeld.

Fußball und fliehende Braut

Sicherlich ist es auch nicht leicht gegen die Stars des Operettenfilms anzuspielen, doch die Amerikanerin Emily Newton wirft sich in Dortmund mit sehr viel Überzeugungskraft in die Rolle der schottischen Fabrikantenrochter Roxy. Diese flieht erfolgreich kurz vor der Hochzeit ihrem Bräutigam und landet glücklich in der ungarischen Fußballmannschaft. Die mit der Barrie Kosky Inszenierung vonBall im Savoy 2013 in der Komischen Oper Berlin angestoßene Paul-Abraham-Renaissance scheint wieder einen Schritt weiter.

27., 31. 12.