Feiertagsmeldung zwischen dem Papstsegen und einem Brandanschlag auf eine Moschee in Schweden: Die spanische Küstenwache hat 45 afrikanische Bootsflüchtlinge aus dem Meer vor der andalusischen Küste gerettet. Die Herkunft der Menschen war nicht genau feststellbar - vermutlich "Subsahara".

In den vergangenen Jahren haben Zehntausende versucht, über das Mittelmeer aus Afrika und Asien nach Europa zu gelangen, Tausende (!) sind dabei umgekommen. Ein "Foto des Jahres" zeigt junge Afrikaner, die über meterhohe, mit Rasierklingen-Stacheldraht bewehrte Zäune in der spanischen Enklave Melilla (Marokko) klettern. Im Vordergrund spielen ein paar weißgekleidete Europäer (oder wohlhabende Marokkaner) Golf.

Europa muss eine Antwort finden auf dieses Elend. Aber möglicherweise gibt es keine, jedenfalls keine halbwegs machbare.

Zielscheibe der Neonazis

Die Herkunftsländer dieser Flüchtlingswelle sind sehr weit weg. Vor ein paar Jahren versorgten wir Familien, die von der Türkei im Boot auf unsere griechische Ferieninsel gekommen waren, durch die Gitterstäbe des Polizeigefängnisses mit Lebensmitteln. Die eine Familie kam aus Bangladesch, die andere aus Senegal. Die Boat People wurden dann nach Athen abtransportiert und dort freigelassen. Inzwischen vegetieren zehntausende von ihnen dort und sind Zielscheiben der Neonazis.

Übers Mittelmeer kommen Kriegsflüchtlinge wie die Syrer meist aus dem Mittelstand. Sie fliehen aus einer unmittelbaren Existenzbedrohung. Davon etwas unterschieden sind Menschen aus "failed states" in Afrika. Sie haben keine Ausbildung und keine Perspektiven. So entsteht ein Subproletariat mit der gefährlichsten aller sozialen Erscheinungen: junge Männer, die nichts zu verlieren haben.

Europa kann diese Armutsflüchtlinge, die allerdings teilweise auch Kriegsflüchtlinge sind, nur um den Preis schwerer sozialer Verwerfungen alle aufnehmen. Welche Perspektive haben sie - kriminell werden, radikal werden? Vielleicht ist dieser Preis im Sinne der Humanität zu zahlen - aber besser wäre es, viel intensiver als jetzt andere Möglichkeiten zu erforschen.

Funktionierende Kleinstruktur

Eine davon wäre, diesen Ländern beim Aufbau einer funktionierenden Kleinstruktur zu helfen. Nicht mehr riesige Entwicklungsprojekte, die ohnehin in Korruption und Inkompetenz versinken, sondern Brunnen bauen, rationalere Anbaumethoden, Handwerk, Gründung von Kleinfirmen, aber auch Geburtenkontrolle, politische Kompromisslösungen lehren. Das geschieht auch schon, aber es müsste vervielfacht werden. Und dafür müsste es großzügige Ausbildungsplätze in Europa geben - um Funktionseliten aus diesen Ländern auszubilden.

Entwicklung ist möglich. China hat es geschafft, unter anderem, indem es seine Besten zum Studieren in die USA schickte, Indien bis zu einem gewissen Grad auch. Europa reagiert derzeit auf die Flüchtlingswelle leidlich humanitär, aber rein defensiv. Eine aktive finanzielle Anstrengung, um die Lage in den Herkunftsländern zu verbessern, würde nach einiger Zeit viel von den Abwehrkosten ersparen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 27./28.12.2014)