Im österreichischen Maßnahmenvollzug sind tiefgreifende Änderungen notwendig. Das dürfte Justizminister Wolfgang Brandstetter sonnenklar sein. Nicht nur, weil er intern, seit er das Ressort übernommen hat, wiederholt über Missstände informiert und daran durch kritische Medienberichte immer wieder erinnert wurde.

Sondern auch, weil er als Rechtswissenschafter die Krisensymptome des Systems wohl zu interpretieren weiß: Immer mehr Straftäter werden als "geistig abnorm" beurteilt, man belässt sie ohne konkrete Entlassungsperspektiven in Gefängnissen und gefängnisnahen Institutionen: ein Hinweis darauf, dass die Gesellschaft ihre Kriminalitätsprobleme und -ängste zunehmend durch Wegsperren "meistert".

So haben viele Bürger nichts dagegen, ihr subjektives Sicherheitsgefühl mit fortgesetztem Freiheitsentzug psychisch kranker Gesetzesbrecher zu festigen. Das bildet sich unter anderem in den traditionellen und sozialen Medien ab, die vielfach der Vorstellung von "Zero Tolerance" huldigen. Selbst manche Gutachter und Gerichte zieht das in den Bann.

Dass dies mit zu einer menschenrechtswidrigen Situation beigetragen hat, die Änderungen erzwingt, wird nicht leicht zu vermitteln sein: Neben dem Kampf gegen verkrustete Strukturen in der Justizverwaltung steht Brandstetter auch ein Werben um die Zustimmung der Bürger bevor. (Irene Brickner, DER STANDARD, 27./28.12.2014)