Nils Stolzlechner

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Stolzlechner sprang für die USA auf WM-Rang fünf und sechs.

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Nach dem Ende seiner Skispringerkarriere wandte sich Stolzlechner dem Windsurfen und dann dem Kitesurfen zu. Noch mit knapp 50 Jahren erzielte er respektable Resultate wie den achten Platz auf Sylt und den 19. Rang im Gesamtweltcup. Nebenbei entwickelt er Kitesurfboards.

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Miami/Wien - Es war Toni Sailer, der schwarze Blitz von Kitz, über den sich Nils Stolzlechners Eltern Hans und Greta kennengelernt haben. Eine relativ klassische Geschichte. "Der Papa war Skilehrer, die Mama eine wohlhabende Amerikanerin." Er aus Kitzbühel in Tirol, sie aus Santa Barbara in Kalifornien. Sailer, der dreifache Olympiasieger von Cortina 1956, stellte die Verbindung her. Sie sollte zwölf Jahre lang halten, nach der Scheidung folgten die Töchter Dorli und Nina der Mutter, die zurück nach Amerika ging. Der Sohn, Nils, blieb beim Vater in Kitzbühel. "Da gab es schon einige Probleme zu bewältigen, vielleicht hat mich auch das zum Sport getrieben."

Nils Stolzlechner sitzt in der Hotelbar des Shelborne Wyndham Grand South Beach, 1801 Collins Avenue, das ist eine der ersten Adressen in Miami Beach. Tolle Zimmer, toller Poolbereich, toller Sandstrand. Herr Clooney ist nicht der einzige Filmstar, der hier abzusteigen pflegt, und natürlich pflegt Herr Clooney nicht irgendwo abzusteigen. Die Zimmer haben ihren Preis, je nach Saison ab 300 Euro bis vierstellig. Und wem danach ist, der kann zum Zimmer noch eine Kabane am Pool mieten, Kostenpunkt allein dafür ab circa 320 Euro pro Tag. Sobald es nur leicht zu tröpfeln beginnt, ziehen dienstbare Geister die Handtücher von den Liegen am Pool, und haben sich die Wolken verzogen, liegen die Handtücher auch schon wieder da. Das Hotel ist im September wiedereröffnet worden, Stolzlechner war einige Monate zuvor als General Manager verpflichtet worden, um die Renovierung voranzutreiben. "In Amerika, in der Hotelbranche, hab ich einen Namen", sagt er.

Der Skifahrer, der Springer

In Kitzbühel hatten die Großeltern ein Gasthaus, das Gasthaus Stolzlechner. Dort hat sich Nils vor allem im Sommer manchmal aufgehalten, im Winter hielt er sich auf Skiern auf. "Ursprünglich war ich ein Alpiner." Und er war gar nicht schlecht, jedenfalls gut genug, um vom Vater aufs Skigymnasium nach Stams geschickt zu werden. Erst in Stams entdeckte der junge Stolzlechner und entdeckten die Trainer sein wahres Talent - mit den Skiern nicht zu fahren, sondern zu springen. "Ich war ein guter Techniker, aber um zehn Kilo zu schwer."

Mit 18 Jahren verletzte er sich am Knie, Stams absolvierte er zwar, aber im ÖSV gab's für ihn keine Zukunft mehr, also wechselte er, weil Doppelstaatsbürger und ehrgeizig, zu den US-Amerikanern. Dort freuten sie sich über die Verstärkung. Teamkollegen Stolzlechners waren etwa Jeff Hastings oder Mike Holland. Mit Stolzlechner schafften die USA bei der WM 1982 in Oslo einen sechsten sowie bei der WM 1985 in Seefeld einen fünften Platz im Mannschaftsbewerb.

Als Solist hat er wenige Spitzenresultate erzielt, ein achter Platz 1985 in Cortina war sein bestes Ergebnis, auf der Normalschanze, eh klar, die kam seiner Athletik entgegen. 1986 trat Stolzlechner zurück. "Ich war 23. Natürlich hätte ich bis 30 weiterspringen können, um dann Trainer oder Skiwachsler zu werden. Aber das wollte ich nicht." Er wollte weiter, er wollte weg. Die Tourismusbranche lag vielleicht nahe, Kitzbühels und der Großeltern wegen, Kalifornien lag vielleicht auch nicht weit weg, der Mutter wegen. "Aber am Ende ist alles Zufall gewesen."

Stolzlechners zweite Karriere begann nicht mit Tellerwaschen, sondern an einer Rezeption in einem Hotel in San Francisco. Dort lernte er nicht nur viel, sondern auch eine Schweizerin kennen und lieben. Mit Annette ging er nach Luzern, wo ihr Vater ein Hotel führte. "Bei meinem Schwiegervater habe ich weitergelernt." Dann zog es die Stolzlechners zurück nach Amerika. Nils bildete sich weiter und bildete sich fort, spezialisierte sich auf den Bereich "Food and Beverages", arbeitete im Hyatt in Carmel, Kalifornien, im Westin in San Francisco, dockte bei der großen Kette Omni Hotels & Resorts an, bekam in Los Angeles seinen ersten Job als General Manager, einen weiteren in Corpus Christi, Texas, und zog schließlich für Omni in Dallas ein 1000-Zimmer-Hotel hoch. "Das war", sagt Stolzlechner stolz, "ein 600-Millionen-Dollar-Projekt."

Die Nähe, der Abstand

Auch Nils' Ehe sollte nicht ewig halten. Sie hielt neun Jahre lang. "In einer normalen Ehe sieht man sich vielleicht vier bis fünf Stunden am Tag. Wir haben zusammen gearbeitet, sieben Tage die Woche, neun Jahre lang." Nach der Scheidung blieb Annette in Carmel, und die Töchter Alexandra und Victoria, mit denen Nils oft in Kontakt ist und die er regelmäßig sieht, blieben bei ihr.

Der Sport spielt nach wie vor eine Hauptrolle in Nils Stolzlechners Leben. "Ich brauche ihn, um Abstand zu gewinnen und Ausgleich zu finden." In Kalifornien hatte er mit dem Windsurfen begonnen und es auch hier zu Meriten gebracht. Noch später entdeckte er das Kitesurfen für sich, als 47-Jähriger belegte er 2009 beim Weltcup auf Sylt einen achten Racing-Platz und beendete den Weltcup auf Rang 19.

Der Ehrgeiz, das Revier

Einen Namen in der Szene machte er sich vor allem als Entwickler und Designer von Kitesurfboards. Seine Linie NJS Designs wird von der großen Firma Gaastra vertrieben. Das "J" in NJS steht für Johannes, Stolzlechners zweiten Vornamen. Große Wettkämpfe sind kaum noch ein Thema für Nils, doch er bemüht sich, möglichst oft auf dem Brett zu stehen, sich ziehen und hängen zu lassen. "Miami ist kein schlechter Platz", sagt er, "das Klima ganzjährig sehr verträglich, der Strand selten überlaufen. Dabei frieren sie sich nur drei Flugstunden weiter nördlich den Arsch ab."

Aber wahrscheinlich ist auch Miami nur eine Zwischenstation für Nils Stolzlechner. Sein berufliches Leben beschreibt er damit, dass er neue Hotels hochzieht oder Problemhotels wieder herrichtet. "Und wenn dann alles läuft, bin ich meistens relativ bald wieder woanders." Eigentlich wäre er ganz gerne wieder nach Österreich gegangen, um näher beim Vater zu sein, näher auch bei vielen Freunden, die er auch aus seiner Skispringerzeit noch hat, Andi Felder und Ernst Vettori gehören dazu. Vettori und seine Frau Sieglinde haben ihren Sohn nicht von ungefähr Nils genannt. "Eine große Ehre für mich", sagt Stolzlechner.

Doch in Österreich Fuß zu fassen, das war und ist nicht leicht für ihn. Eine Zeitlang war er für die Firma Wertinvest tätig, den Eigentürmer des Hotels Intercontinental. Vierzig Bewerbungen hat er verschickt, "aber ich hab keine einzige Einladung zu einem Interview bekommen. Leider zählt in Österreich nicht viel, was man in Amerika erreicht hat. Dann habe ich einige Freunde in den Staaten angerufen, und vier Tage später hatte ich diesen Job hier." Und Nils Stolzlechner blickt von der Bar hinaus zum Swimmingpool, wo es gerade wieder zu tröpfeln beginnt und die Handtücher von den Liegen gezogen werden. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 30.12.2014)