Bild nicht mehr verfügbar.

Kolinda Grabar Kitarović fordert Ivo Josipović auch im zweiten Wahlgang heraus.

Foto: APA/EPA/str

Sieger sehen anders aus. Das Lächeln des amtierenden Präsidenten von Kroatien, Ivo Josipović, wirkte ein wenig gekünstelt, als er die Ergebnisse am Sonntagabend erfuhr. Denn entgegen den Wahlprognosen lag Josipović mit 38,46 Prozent der Stimmen nur wenig mehr als einen Prozentpunkt vor seiner Herausforderin, der konservativen Kolinda Grabar Kitarović (37,22 Prozent). "Wir haben die erste Runde gewonnen, wir werden auch die zweite gewinnen", sagte er, als wolle er sich selbst ermutigen. Die Wahlumfragen hatten dem Staatschef bis zu 46 Prozent vorausgesagt. Der zweite Wahldurchgang am 11. Jänner wird also spannend. Ex-Außenministerin Grabar Kitarović zeigte sich äußerst zufrieden und meinte, dass Kroatien einen politischen Wechsel wolle. Tatsächlich haben ihr Umfragen weniger Stimmen vorausgesagt. Ihre Partei HDZ, die gut organisiert ist, konnte offenbar besser mobilisieren als die Sozialdemokraten (SDP).

Entscheidend wird sein, wer in der zweiten Runde die Wähler der beiden anderen Kandidaten für sich gewinnen kann. Dem bis zur Wahl unbekannten Aktivisten und Kapitalismuskritiker Ivan Vilibor Sinčić haben am Sonntag überraschenderweise 16,42 Prozent der Kroaten ihr Vertrauen geschenkt. Der erst 25-jährige Sinčić gewann vor allem mit seiner Kritik an den Banken. Zigtausende Kroaten haben Kredite aufgenommen, die sie aufgrund der gestiegenen Zinsen kaum zurückzahlen können, vielen droht die Zwangsräumung ihrer von Hypotheken belasteten Häuser. Sinčić sammelte aber auch jene Wähler um sich, die den Sozialdemokraten Josipović als zu mutlos empfanden. Josipović wird zudem auch der regierenden Elite in Kroatien zugerechnet.

Schlechte Performance der Regierung

Die Sozialdemokraten unter Premier Zoran Milanović haben seit ihrem Amtsantritt vor drei Jahren massiv an Beliebtheit eingebüßt. Kroatien steckt seit fünf Jahren in der Rezession, die notwendigen Wirtschaftsreformen kommen kaum voran. Den Umfragen zufolge würden die Sozialdemokraten zurzeit eine Parlamentswahl verlieren, die HDZ würde gewinnen. Josipovićs schlechtes Abschneiden hat also auch mit der schlechten Performance der Regierung zu tun. Falls er es nicht schafft in der zweiten Runde viele Stimmen von Sinčić für sich zu gewinnen, und deshalb keine zweite Amtszeit antreten kann, würde dies auch Auswirkungen auf die Regierung haben.

Die Krise der Sozialdemokraten würde dadurch jedenfalls noch vertieft. Und vorgezogene Neuwahlen - regulär sollten sie 2016 stattfinden - wären dann umso wahrscheinlicher. Josipović versuchte demnach gleich nach der Wahl an die Sinčić-Wähler zu appellieren und sprach von einem Ruf nach Gerechtigkeit: "Es gibt keinen Platz in der politischen Arena für jene, die von diesem Land gestohlen haben", sagte er. Sinčić wiederum kündigte gleich an, bei den Parlamentswahlen anzutreten.

Wahlbeteiligung trotz Weihnachtsferien hoch

Für Grabar Kitarović wird es nicht leicht, Sinčić-Wähler zu aktivieren, denn Sinčić ist ein strikter Gegner der Nato, Grabar Kitarović jedoch machte bei dem Bündnis in den vergangenen Jahren als Diplomatin eine steile Karriere. Sie hat auch die Unterstützung der USA und gilt als strikt prowestlich, was im aktuellen geopolitischen Konflikt mit der Ukraine auch eine Rolle spielt. Die Wähler des rechtsgerichteten vierten Kandidaten Milan Kujundžić, der mit 6,65 Prozent der Stimmen relativ schlecht abschnitt, dürften jedoch für Grabar Kitarović stimmen.

Entscheidend wird demnach auch sein, wie viele Wähler überhaupt zu mobilisieren sind. Die Wahlbeteiligung war diesmal trotz schlechten Wetters und Weihnachtsferien mit über 47 Prozent hoch. Die Ergebnisse spiegeln auch die regionalen Unterschiede wider. Das liberale Istrien und Nordkroatien sowie die Hauptstadt Zagreb wählten mehrheitlich Josipović, das konservative Dalmatien und Slawonien stimmten für Grabar Kitarović. (Adelheid Wölfl, Langfassung, derStandard.at, 29.12.2014)