Kabul/Neu-Delhi - John McCain sieht die Lage wenig rosig. "Wir werden den gleichen Film sehen, wie wir ihn im Irak erlebt haben", prophezeit der republikanische US-Senator. Auch US-Präsident Barack Obama räumt ein: "Afghanistan ist weiter ein sehr gefährlicher Ort." Nach 13 Jahren hat die Nato den Kampfeinsatz am Hindukusch formal beendet - doch der Krieg tobt unvermindert weiter.
Die Hoffnungen, die man 2001 nach dem Sturz der Taliban hatte, haben sich nicht erfüllt. Der Friede ist fern. Allein in den ersten elf Monaten wurden 3188 Zivilisten getötet - so viele wie noch nie. Nach Schätzungen starben seit 2001 mehr als 100.000 Afghanen.
Unproduktive Zwangsehe
Nach Abzug der westlichen Truppen droht dem Land ein blutiges Jahr 2015. Die Taliban machen keinen Hehl daraus, dass sie ihren Einfluss ausweiten und die Regierung von Präsident Ashraf Ghani destabilisieren wollen.
Diese erscheint fragil und schwach. Bei den Wahlen hatten beide Spitzenkandidaten, Ghani und Abdullah Abdullah, den Sieg für sich reklamiert. Nur Druck des Westens konnte verhindern, dass es zur offenen Konfrontation kam. Bisher gibt es nicht einmal eine Einigung auf die Regierungsposten.
Frauenrechte auch dem Rückzug
Zudem hängt Afghanistans Regierung vom Wohlwollen des Westens ab. Und es ist nur schwer ersichtlich, wann die Wirtschaft auf die Beine kommt. Zwar verfügt das Land über Rohstoffreserven - etwa Kupfer und Eisen -, aber deren Abbau ist teuer und schwierig. Mit dem Abzug der Nato wird auch die Wirtschaft einbrechen.
Es gibt fraglos auch Erfolge: Die Beteiligung bei den Wahlen etwa, oder die zehn Millionen Kinder, die zur Schule gehen. Medizinische Versorgung und Infrastruktur haben sich verbessert, Kinder- und Müttersterblichkeit sind gesunken. Andere Errungenschaften, etwa Frauenrechte, stehen zur Disposition. Nicht nur die Taliban, auch viele Konservative wollen die Uhr zurückdrehen.
Al-Kaida, da sind sich die meisten Experten einig, ist heute geschwächt und zersplittert. Doch die Gefahr ist nicht gebannt, dass wieder Extremisten in das wilde Niemandsland zwischen Afghanistan und Pakistan strömen. (Christine Möllhoff, DER STANDARD, 30.12.2014)