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Für die russischen Konsumenten ist der Wirtschaftsabschwung deutlich spürbar. Der weiche Rubel macht ausländische Waren unerschwinglich.

Foto: AP / Ivan Sekretarev

Moskau - Die Nervosität bleibt in Russland. Am Montag ist der Rubel zu Handelsbeginn stark unter Druck geraten. Innerhalb der ersten zwei Stunden verlor die Landeswährung knapp zehn Prozent und stürzte kurzzeitig unter die psychologisch wichtige Kursmarke von 1:70 gegenüber dem Euro.

Erst im Tagesverlauf konnte sich der Rubel - auch angesichts der Turbulenzen in Griechenland - gegenüber dem Euro stabilisieren. Die Zentralbank erhöhte dennoch den offiziellen Wechselkurs um 5,5 Rubel auf 1:69. Ein Dollar kostet knapp 57 Rubel.

Bocksprünge der Währung

Schon vor zwei Wochen war der Rubel an der Börse eingebrochen. In wilden Bocksprüngen nach unten rasend war die russische Landeswährung zeitweise sogar auf einen Umtauschkurs von 1:100 gegenüber dem Euro gefallen. Erst nach massiven Interventionen konnten Zentralbank und Regierung die Panik besiegen und den Rubel festigen. Daneben wurden mehrere Staatskonzerne angehalten, ihre Dollarreserven aus Exportgeschäften zu verkaufen, um den Druck auf die eigene Währung zu lindern.

Grund für die Rubelschwäche sind der niedrige Ölpreis und die damit verbundenen geringeren Einnahmen für Russlands wichtigste Exportgüter Öl und Gas. Die gleichen Probleme hat ja auch das ferne, aber mit Russland befreundete Venezuela, wo Oppositionschef Leopoldo López sogar vor einem Staatsbankrott warnt.

Schlechte Aussichten

Die Ratingagentur S&P erwartet für Russland heuer 0,3 Prozent BIP-Wachstum und 2015 einen Rückgang von 0,7 Prozent. Die Bonität beließ S&P zwar auf dem Niveau BBB-, stufte den Ausblick jedoch als "negativ" ein, womit russische Papiere fast Ramschstatus erreicht haben. "Es gibt Befürchtungen, dass die jetzige Krise von den Reformen ablenkt, die die Strukturprobleme lösen sollten", begründete S&P-Analystin Tatjana Lyssenko die Skepsis.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bei seiner Jahrespressekonferenz kurz vor Weihnachten noch von etwas über 0,6 Prozent Wachstum heuer gesprochen. Die frischen Zahlen für November demonstrieren aber bereits jetzt einen deutlichen Abschwung. Demnach ist das BIP gegenüber dem November 2013 um 0,5 Prozent gefallen. Es ist der erste Rückgang seit der Krise 2009. Geschwächelt haben vor allem Dienstleister, Baugewerbe und der Agrarsektor.

Kudrin als Kassandra

Schlechte Nachrichten gab es auch vom ehemaligen Finanzminister Alexej Kudrin. Wenn nicht schnell Reformen eingeleitet würden, "erwarten uns negative Wachstumszahlen für die nächsten zwei bis vier Jahre, oder sogar länger", warnte der anerkannte Finanzexperte. Dabei könnte der Abschwung 2015 zwischen zwei und vier Prozent liegen, eine "echte Krise" , wie Kudrin betont. Wie lange die Rezession dauere, hänge nicht nur vom Reformwillen der Regierung ab, sondern auch davon, ob es Russland gelinge, sich mit dem Westen auf eine Abschwächung der Sanktionen zu einigen, sagte er.

Ökonomisch hat Europa kein Interesse an einem schwachen Russland. Die bislang glänzenden Geschäfte deutscher und österreichischer Firmen in Russland haben sich deutlich eingetrübt. Vor allem der Automarkt bereitet Sorgen. Ist der Verkauf heuer auf 2,2 Millionen Fahrzeuge in Russland gefallen, droht 2015 im schlimmsten Fall ein Einbruch auf 1,5 Millionen Neuwagen. Rubelschwäche, der Rückgang der Realeinkommen und die Kreditklemme bremsen die Kauflust der Russen.

Viele Banken bangen ums Überleben. Um das Vertrauen der Russen anzuheben, hat Putin nun die staatliche Einlagensicherung verdoppelt. Damit sind nun Depots bis zu 1,4 Millionen Rubel vom Staat versichert, falls die Bank pleitegeht. (André Ballin, DER STANDARD, 30.12.2014)