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Gegner des Sparkurses zu Beginn der Finanzkrise 2010, heute der letzte Unterstützer: Regierungschef Samaras (63) während der Stimmauszählung im Parlament in Athen.

Foto: AP / Thanassis Stavrakis

Seinen Parteifreund hat er in einen Kampf geschickt, der von vornherein verloren war, und jetzt wartet Antonis Samaras auf das Ergebnis, den linken Arm auf das Pult der Regierungsbank im Parlament gestützt, die rechte Hand unter das Kinn, als ob er jeden Moment aufspringen und zum Schlag ausholen will: wieder nur 168 Stimmen für Stavros Dimas, den Kandidaten. Die Präsidentenwahl ist verloren, das Parlament wird aufgelöst, Neuwahlen kommen. Und zwar zum schnellstmöglichen Termin am 25. Jänner, erklärt Samaras.

Gleich nach der Niederlage im Parlament stellt sich der griechische Premier Montagmittag vor die Kameras und holt zum Schlag aus. "Das Land hat keine Zeit zu verlieren", sagt er, "der Sieg ist unser." Syriza, das Parteienbündnis der radikalen Linken, und die Goldene Morgenröte – Griechenlands Faschisten – hätten gemeinsame Sache gemacht, um den Kandidaten Dimas zu blockieren und Neuwahlen zu erzwingen, die keiner im Land wolle, erklärt Samaras den Zuschauern.

Hohe Hürde

Die Wahl eines neuen Staatschefs ist eine politische Besonderheit in Griechenland. Seit der Metapolitefsi 1974, der Zeit des Übergangs von der Militärjunta zur Demokratie, schreibt die Verfassung eine offene Wahl im Parlament mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten oder – in der dritten und letzten Runde wie am Montag – von wenigstens 180 oder drei Fünfteln der Mandatare vor. Die hohe Hürde soll die Parteien für einen Augenblick zur Geschlossenheit bewegen. Doch die gibt es nicht im Griechenland der Finanzkrise und der von den Kreditgebern auferlegten Sparmaßnahmen.

Alexis Tsipras, der auch mit 40 Jahren noch burschenhaft aussehende Chef des Linksbündnisses, feierte die Niederlage der Regierung. "Eine breite Mehrheit des Volks ist entschlossen, die Politik der Sparauflagen zu beenden", erklärte Tsipras; mit der Samaras-Regierung, die Griechenlands Gesellschaft ausgeplündert habe, sei es nun vorbei.

Chance gewittert

Regierungschef Samaras will am heutigen Dienstag beim noch amtierenden Staatspräsidenten Karolos Papoulias um die Auflösung des Parlaments ansuchen. Der Coup mit der gescheiterten Präsidentenwahl im Dezember war nicht unüberlegt. Samaras und seine konservative Nea Dimokratia hätten jetzt zumindest eine Chance, vorgezogene Parlamentswahlen zu gewinnen, sagt Dimitri Sotiropoulos, Politikprofessor an der Universität von Athen und Forschungsdirektor beim Thinktank Eliamep. Anders wäre es gewesen, hätte die Samaras-Regierung den regulären Termin der Präsidentenwahl im Februar abgewartet und bis dahin auf Druck der Troika eine weitere Reihe von Sparbeschlüssen durch das Parlament gedrückt. "Dann hätte Samaras keine Chancen gehabt", sagte Sotiropoulos dem Standard.

Syrizas Versprechen

Ähnlich wie der langjährige Politikberater John Loulis ist auch Sotiropoulos sehr skeptisch gegenüber den Möglichkeiten von Syriza, einmal an die Macht gekommen, ihre Versprechen vom Ende der Sparmaßnahmen und von einer Streichung der Staatsschulden auch umzusetzen. Eine von Syriza geführte Koalition könnte dafür aber andere, nicht wirtschaftliche Ankündigungen einlösen, etwa im Bereich der Menschenrechte und der Flüchtlingsproblematik.

Umfragen zeigten in den vergangenen Tagen, dass der Vorsprung von Syriza vor Nea Dimokratia auf drei Prozent oder weniger geschrumpft ist. Die Partei, die als stärkste aus Parlamentswahlen hervorgeht, erhält einen Bonus von 50 Sitzen. Damit gelang Samaras nach den Wahlen im Sommer 2012 die Bildung einer Koalition mit den Sozialisten der Pasok und der kleinen Linkspartei Dimar. Auch Syriza würde nach Ansicht von Beobachtern aus dem Stand keinesfalls eine eigene Mehrheit gewinnen, aber mithilfe des Mandatsbonus und von Koalitionspartnern eventuell eine Regierung bilden können. Neben den Kommunisten der KKE käme noch die neue linksliberale Partei der Fluss (Potami) des Fernsehjournalisten Stavros Theodorakis infrage; beide Parteien stehen Syriza allerdings kritisch gegenüber.

Griechenlands Staatsverschuldung steht nach zwei Rettungskrediten derzeit noch bei 322 Milliarden Euro oder rund 175 Prozent des BIP. Im neuen Jahr muss Athen insgesamt 21 Milliarden Euro an Zinsen, Kreditraten und für fällige Anleihen zahlen – egal, ob die nächste Regierung von Samaras oder Tsipras geführt wird. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 30.12.2014)