Ob dem Untreueparagrafen Zucker gegeben wird oder ob die Regelung scharf bleiben soll, ist Geschmackssache.

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Wien – Viele Wirtschaftsvertreter sind aufgebracht: Nach der jüngsten Judikatur zur Untreue stünden Manager bei der Übernahme von Risiko mit einem Fuß im Kriminal. Das schade dem Unternehmertum, insbesondere die Kreditvergabe werde aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung beeinträchtigt, lautet der Tenor. Eine vom Justizministerium eingesetzte Arbeitsgruppe zur Reform des Tatbestands hat keinen Durchbruch gebracht.

Die von Sektionschef Christian Pilnacek vorgelegte Änderung, wonach zumindest für höhere Strafen Bereicherung Voraussetzung werden soll, war nicht konsensfähig. Zwar hat das Ministerium immer betont, dass die Bereicherung nur das Strafausmaß beflügeln soll, doch vor allem die Richterschaft befürchtet: ohne Bereicherung keine Untreue.

Wissen gegen Vorsatz

In dem Fall wären zahlreiche Urteile im Umfeld von Wirtschaft und Politik – genannt werden u.a. die Strafen im Birnbacher-Prozess – hinfällig. Auch bei anderen Reformüberlegungen wie einer engeren Definition des Befugnismissbrauchs oder beim Ersatz der Wissentlichkeit durch bedingten Vorsatz scheiden sich die Geister.

Gerade die Urteile des Obersten Gerichtshofs in den Causen Libro (Dividendenausschüttung) und Styrian Spirit (Kreditvergabe) haben die Rufe nach einer Entschärfung des Untreueparagrafen verstärkt. Dass die Gerichte unternehmerische Fehlentscheidungen sanktionieren, kritisiert auch Günther Geyer, Chef des Versicherungsvereins der Wiener Städtischen. Das verschärfe die Kreditklemme und führe zu absurden Konstellationen.

Beispiel Anleihen

Als Beispiel nennt Geyer den Umgang mit Hypo-Anleihen, die vom gesetzlichen Schuldenschnitt betroffen sind. Derzeit böten Hedgefonds noch 40 bis 50 Prozent des Nennwerts. Allerdings klagen zahlreiche Gläubiger, darunter auch die Vienna Insurance Group, beim Verfassungsgerichtshof gegen das Sondergesetz.

Sollte die Beschwerde abgewiesen werden und der Kurs verfallen, könnte man den Managern den Vorwurf machen, dass sie durch den Nichtverkauf der Anleihen einen Schaden angerichtet hätten, meint Geyer. Ein weiteres Beispiel wäre der Verkauf einer Wohnung, der nach Wohnbaugemeinnützigkeit nur zum historischen Preis erfolgen darf. Dann könnte eine Untreue vorliegen, weil der Marktwert viel höher liege, so Geyer.

Strenger OGH

Dem halten Richter und Professoren entgegen, dass die Voraussetzung für die Untreue, der Missbrauch der Befugnisgewalt, nicht erfüllt sei. Allerdings hat der OGH mit der Libro-Entscheidung die Grenzen neu gesetzt. Demnach ist eine schädigende Ausschüttung auch dann eine Untreue, wenn die Aktionäre zugestimmt haben. Die Verunsicherung der Wirtschaftstreibenden sollte jedenfalls rasch beendet werden, erklärt Geyer. Sein Vorschlag: eine Reduktion der Strafbarkeit auf Fälle mit Schädigungsabsicht. Im Gegenzug könnte die Strafe für das Delikt "von mir aus auch verdreifacht werden", wie der langjährige VIG-Chef sagt. Mit diesem Kompromiss, so hofft der Manager, könnte sich die Politik auch über das Problem trauen. Derzeit kenne die Regierung das Problem, "fürchtet aber die Reaktion der Medien", wenn eine Reform nach Verwässerung rieche. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 30.12.2014)