Theoretisch wissen ja eh alle, wie Politiker sein sollen. Ehrlich vor allem. Der Wunsch rangiert in einer aktuellen Gallup-Studie ganz oben. Und in der Praxis ganz unten. Sagt ein Politiker ganz ehrlich, dass eine große Steuerreform eigentlich unfinanzierbar ist und dass entweder das Pensionsalter drastisch steigen oder die Pensionshöhe drastisch sinken müsste, dann gefällt diese Ehrlichkeit leider gar nicht. Ein gewisser Michael Spindelegger könnte ein Lied davon singen.

Und - auch eine durch Umfragedaten abgestützte Forderung aus der Studie - offen soll er sein, der ideale Politiker. Über Probleme informieren, wenn sie auftreten. Und nicht erst, wenn an ihrer Lösung schon erfolgreich gearbeitet worden ist. Man stelle sich das vor: Ein Minister sagt, dass es ein Problem gibt, dass er aber keine Lösung dafür hat. Der kann doch gleich einpacken. Zumindest würde man erwarten, dass mit der Information über das Problem die beruhigende Versicherung kommt, dass an der Lösung bereits gearbeitet werde - der Politiker also genau weiß, wie man das Problem anpacken und beseitigen kann.

Das weiß er oder sie aber in der Regel nicht. Aber das wollen die Wähler (auch wenn sie in Umfragen anderes behaupten) lieber nicht hören. Die Journalisten übrigens auch nicht. Man hätte halt gern jemanden mit Charisma, jemanden, der unbeirrbar ein Ziel ansteuert.

Geht aber ein Politiker unbeirrt seinen Weg, wird ihm vorgeworfen, starrköpfig zu sein - ein Gutteil der Menschen, die geradlinige Politiker wünschen, sagt gleichzeitig, dass die Politiker sich der (wechselnden) Volksmeinung beugen sollten. Was in einer parlamentarischen Demokratie mit immer mehr Parteien von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Die Dinge sind halt sehr kompliziert, erkannte einst Fred Sinowatz. Er sprach es aus. Ganz ehrlich. Gedankt hat man es dem damaligen Kanzler nicht. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 30.12.2014)