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Die NATO-Mission ISAF (International Security Assistance Force) wird am 31. Dezember nach 13 Jahren in Afghanistan offiziell beendet. Ab dem 1. Jänner wird lediglich eine Assistenzmission im Land sein.

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Beim Einsatz der ISAF-Truppen wurde auch mit sogenannten "gezielten Tötungen" gegen die Taliban vorgegangen.

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Der NATO-Einsatz in Afghanistan wird am 31. Dezember offiziell beendet sein. Schon vergangenen Sonntag wurden Flaggen eingerollt, Reden gehalten und die durch den Truppeneinsatz erreichten Fortschritte gepriesen. In die Feierstimmung hinein veröffentlichte der "Spiegel" am Montag einen Bericht über die von der NATO erstellten Todeslisten. Erstmals konnte ein Medium diese geheimen Berichte einsehen. Die Dokumente des US-Geheimdienstes NSA (National Security Agency) und seines britischen Gegenübers GCHQ (Government Communication Headquarters) stammen aus dem Bestand von Edward Snowden.

"Gezielte Tötungen" als legitimes Mittel

Unter diesen Dokumenten ist auch die komplette Liste der von der NATO geplanten und durchgeführten "gezielten Tötungen". Im Militärjargon ist es die "Joint Prioritized Effect List" (JPEL). Diese Liste belegt, dass die Strategie der gezielten Tötungen nicht bloß als letztmögliches Mittel zur Bekämpfung der Taliban eingesetzt wurde, sondern Teil des regulären Vorgehens in diesem Krieg war.

Der "Spiegel" konnte Dokumente aus den Jahren 2009 bis 2011 einsehen, zu dieser Zeit war Stanley McChrystal ISAF-Kommandeur, der im Juni 2010 von David Petraeus abgelöst wurde. Schon 2009 schickte US-Präsident Barack Obama 33.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan. Eine der blutigsten Phasen des Krieges begann. 2009 starben 2.412 Zivilisten, für ein Viertel dieser Toten waren NATO-Truppen und afghanische Sicherheitskräfte verantwortlich. Auch die Zahl der Einsätze gegen die Taliban nahm zu.

Hinter der Eskalation stand die Strategie von Petraeus: Er wollte die Gegner zuerst mittels einer "Säuberungsphase" schwächen, um anschließend das entstandene Machtvakuum mit lokalen Kräften zu füllen. Danach sollte eine Phase der Stabilisierung folgen.

Zivile Opfer

Schon 2010 hatte Wikileaks gemeinsam mit der "New York Times", dem "Guardian" und dem "Spiegel" auszugsweise über die Liste der "gezielten Tötungen" berichtet. Nun allerdings liegt diese Liste in ihrer Gesamtheit vor. Aber wie kam jemand auf diese Liste? Dazu wurden Telefonate abgehört, Informanten befragt, Fotos gesichtet – am Ende oblag die Entscheidung dem ISAF-Regionalkommandeur.

Bei der Suche nach den gelisteten Personen war die Ortung über Mobiltelefone einer der gängigsten Mechanismen. Diese Daten wurden dann an Drohnen oder mit Sensoren ausgerüstete Eurofighter weitergeleitet. Ob hinter der georteten Nummer allerdings wirklich der Gesuchte stand, war nicht immer hundertprozentig geklärt. Bei der Jagd nach den Personen waren zivile Opfer keine Seltenheit.

Drogenhändler im Visier der NATO

Ende 2008 begann die NATO auch Drogenhändler in Afghanistan als "legitime Ziele" einzustufen. Mit dieser Entscheidung verschmolzen der Krieg gegen den Terror und der Krieg gegen Drogen. Der Drogenhandel sei eine der wichtigsten Einnahmequellen der Taliban. Ein besonderer Nachweis für die Verbindung zwischen Drogenanbau und den Taliban war nicht notwendig, um Angriffe auf Anbauer, Kuriere und Händler zu rechtfertigen, schreibt der "Spiegel".

Auch die deutsche Bundeswehr habe sich laut "Spiegel"-Informationen bei den "gezielten Tötungen" zumindest indirekt beteiligt. So wurden Mobilfunknummern "deutscher Extremisten" – wie der "Spiegel" schreibt –, die sich in Afghanistan aufhielten, an die USA weitergeleitet. Die Bundeswehr sagt, diese Telefonnummern würden sich nicht zu Ortungszwecken verwenden lassen. Allerdings können sowohl Drohnen als auch das Kampfflugzeug Eurofighter ein GSM-Telefon lokalisieren.

Die "Bild-Zeitung" berichtet außerdem, dass ein deutscher General persönlich Personen auf die Liste der "gezielten Tötungen" gesetzt habe.

Keine Ermittlungen

Die deutshce Bundesanwaltschaft wird vorerst nicht wegen deutscher Beteiligung an der Sammlung von Daten zur gezielten Tötung von Taliban-Kämpfern in Afghanistan ermitteln. "Bislang liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine in die Zuständigkeit der Bundesjustiz fallende Straftat vor", sagte ein Sprecher des Generalbundesanwaltes der Zeitung "Rheinische Post" vom Mittwoch.

Die Lage in Afghanistan bleibt unterdessen unsicher. Am Dienstag sind bei unterschiedlichen Bombenattentaten mindestens acht afghanische Soldaten ums Leben gekommen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kabul teilte am Dienstag mit, es habe Anschläge in mehreren Teilen des Landes gegeben. Weitere Details nannte er nicht.

Nach dem 31. Dezember 2014 soll nur mehr eine Mission zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Streitkräfte mit 12.000 ausländischen Soldaten im Land bleiben. Der Einsatz ist zunächst auf zwei Jahre angelegt. In den vergangenen Monaten haben Anschläge der Taliban gegen afghanisches Militär zugenommen. (red/APA, derStandard.at, 30.12.2014)