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Die zufriedene Miene konnte Ukip-Chef Nigel Farage 2014 ausgiebig üben. Nach dem Sieg seiner Partei bei den EU-Wahlen im Frühjahr gewann Ende November der von den Konservativen übergelaufene Mark Reckless eine Nachwahl zum Unterhaus.

Foto: AP / Lefteris Pitarakis

Der Kommentar des Geehrten fiel merkwürdig uncharmant aus. "Trotz aller Angriffe" habe ihn die Times zum "Briten des Jahres" erklärt, teilte der britische Rechtspopulist Nigel Farage auf Twitter mit. "Ich bin dankbar."

Die Ehrung für den 50-jährigen Vorsitzenden der EU-feindlichen Unabhängigkeitspartei Ukip begründete das traditionsreiche Blatt mit dessen unleugbarem Einfluss auf die politische Debatte Großbritanniens. Bei der Europawahl im Mai schafften die EU-Feinde, begünstigt von der niedrigen Wahlbeteiligung, den Sprung auf Platz eins. Sie entsandten in Folge 24 Abgeordnete ins Brüsseler Parlament, darunter zum vierten Mal auch Farage selbst.

Im Herbst landete der aus der Konservativen Partei entstammende Farage einen langersehnten Coup: Zwei Tory-Unterhausabgeordnete wechselten die Seiten und verteidigten bei Nachwahlen ihre Mandate unter dem Ukip-Banner. Mit viel Polemik und falschen Zahlen bestimmten die Nationalpopulisten zudem die Einwanderungsdebatte – so sehr, dass auf der traditionell wirtschaftsliberalen Insel neuerdings alle großen Parteien stärkeren Beschränkungen für Ausländer das Wort reden.

"Kampf gegen die Eliten"

Der zu patriotischem Pathos neigende Farage benutzt die gleichen Anti-Establishment-Parolen wie Links- und Rechtsaußen auf dem Kontinent. "Wir kämpfen darum, Ihr Land von den einheimischen wie ausländischen politischen Eliten zurückzugewinnen", predigt der mit einer Deutschen verheiratete Vater von vier Kindern. Er setzt sich für den sofortigen Austritt aus der Europäischen Union und einem kompletten Einwanderungsstopp ein.

Mit der harten Haltung gegenüber dem Brüsseler Club hat Fa rage sich die Unterstützung des britischen Verlegers Richard Desmond (Daily und Sunday Express) gesichert. Der globale Medienunternehmer Rupert Murdoch, dem die Times gehört, schiele wohl als Dank für die Ehrung Farages auf eine Mitgliedschaft im Oberhaus, lästerten Kritiker auf Twitter. Wenngleich dies wegen Murdochs US-Staatsbürgerschaft schwierig wäre, spricht manches dafür, dass dem selbsternannten Außenseiter Murdoch (83) der freche Streiter wider das britische Establishment gut gefällt.

Unschöne Mischung

Immerhin druckte die Times in den vergangenen Monaten auch immer wieder kritische Berichte über den Ukip-Chef und dessen Ansammlung von Rassisten, Spinnern und Nostalgikern. Ein Ratsherr in Oxfordshire machte die Schwulenehe für Frühjahrsfluten verantwortlich, ein anderer musste seine – allerdings lang zurückliegende – Mitgliedschaft bei der neonazistischen National Front einräumen.

Bei der Wählerschaft scheint sich der Eindruck zu verfestigen, dass hinter dem Kumpeltyp Farage allerlei unerfreuliche Gestalten ihr politisches Handwerk treiben. Junge Leute sind einer jüngsten Umfrage zufolge sechsmal so oft entschlossen, Grüne zu wählen als Farages Ukip. Bis zur Wahl im Mai hat der Brite des Jahres 2014 noch allerlei Überzeugungsarbeit zu leisten. Vielleicht kommt auch noch ein wenig Charme hinzu. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 31. 12. 2014 / 1. 1. 2015)