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Der Neustart des Teilchenbeschleunigers am Cern soll 2015 neue Studien über das Higgs-Teilchen ermöglichen. Diese Simulation zeigt, wie ein Higgs-Teilchen in zwei Z-Bosonen zerfällt.

Foto: HARALD RITSCH / Science Photo Library / picturedesk.com

Wien - Mit den Jahresvorschauen ist das so eine Sache. Wer weiß schon, was morgen, übermorgen und überübermorgen entdeckt wird. Verlass ist nur auf das, was bereits war - und damit auf die zu erwartenden Jubiläen - und auf jenes, das von großer Hand (und mit viel Geld) im Voraus geplant wurde. Das trifft etwa auf große Missionen ins All zu oder auf die Inbetriebnahme großer Teleskope. Dementsprechend sind Astronomie und Physik von jeher in Jahresvorschauen stark vertreten. Die Vereinten Nationen haben nun 2015 zum "Internationalen Jahr des Lichtes und lichtbasierter Technologien" erklärt.

"Wir stecken mitten in einer Beleuchtungsrevolution, auch wenn das die wenigsten wirklich bemerken", sagt der Astronom Thomas Posch von der Universität Wien anlässlich des ausgerufenen "Jahrs des Lichtes". Denn: Mithilfe der LED-Technologie erfahre die Gesellschaft gerade einen Übergang vom elektrischen zum elektronisch steuerbaren Licht.

Früher schaltete man das Licht per Knopfdruck an und aus. Heute kann man es in seiner Farbe und Intensität stufenweise verändern. Das mag zu künftigen "Lichtspielen" verleiten: also zur beliebigen Nutzung von noch mehr Licht. Doch gehe es vielmehr darum, Licht gesünder einzusetzen. Über das steuerbare Licht ließe sich etwa die nächtliche Beleuchtung herunterfahren. Somit könnten "wir wieder den Tag-Nacht-Rhythmus gewinnen, der uns ja völlig abhanden zu kommen droht", sagt Posch.

Die Lichtverschmutzung auf der Erde, die bekannterweise auch den Astronomen den Blick ins All verstellt, ist eines von vielen Themen, die die Vereinten Nationen mit dem "Jahr des Lichtes" vermitteln wollen. Es ist wohl auch kein Zufall, dass ins gewählte Jahr einige Jubiläen von historischen Veröffentlichungen fallen.

400 Jahre alte Solarmaschine

Wer hätte schon gedacht, dass die erste mit Sonnenenergie betriebene Maschine bereits vor 400 Jahren vorgestellt wurde? Gut, das vom französischen Ingenieur Salomon de Cox entwickelte Teil mag eher eine Spielerei gewesen sein. Doch immerhin: Er nutzte Solarenergie zusammen mit Brenngläsern und luftdichten Behältern aus Metall, mit Wasser und Luft gefüllt. Mit dem Auftreffen der Sonnenstrahlen auf die Brenngläser und folglich auf den Kästen erhitzte sich die Luft in den Behältern und führte das Wasser einem Springbrunnen zu.

Vor 50 Jahren wurde etwa auch die kosmische Hintergrundstrahlung entdeckt. Und 1915 stellte Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie vor - auch wenn sie erst 1916 in den Annalen der Physik veröffentlicht wurde. (Einstein starb übrigens am 18. April vor 60 Jahren.)

Heute heißen die renommiertesten Fachblätter Nature und Science. Dort zu veröffentlichen gilt in der Community als Hinweis auf wissenschaftliche Exzellenz. Das haben bis dato immer wieder die österreichischen Quantenphysiker geschafft. Laut Studien des Datenkonzerns Thomson Reuters zählen die Wiener und Innsbrucker Physiker zu den meistzitierten Forschern der Welt.

Im Jahr 2015, dem Jahr des 650-jährigen Bestehens der Universität Wien, wollen die Quantenphysiker die internationale Forschergemeinde in Wien bei einer "Internationalen Konferenz zur Quantenphysik der Natur" von 18. bis 22. Mai zusammenbringen und "wegbereitende Forschung in der Quantenphysik" feiern, wie es in der Aussendung heißt.

Grund zum Feiern wird es während des Kongresses für den Experimentalphysiker Anton Zeilinger geben. Mit seinen Versuchen zur Quantenteleportation wurde er der breiten Öffentlichkeit bekannt. Er gilt als geistiger Vater des Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg und ist derzeit Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Am 20. Mai wird Anton Zeilinger 70 Jahre alt.

Vom Labor in den Weltraum. 25 Jahre ist bereits das Nasa-Esa-Weltraumteleskop Hubble im All. Seit April 1990 umkreist es in knapp 600 Kilometern Abstand die Erde und liefert aufsehenerregende, hochaufgelöste Bilder von Sternensystemen.

Vor zehn Jahren, im Dezember 2005, ist der erste Testsatellit des Europäischen Satellitennavigationssystems Galileo, GIOVE-A1, vom Raumfahrtzentrum Baikonur in Kasachstan aus gestartet. Das Satellitennavigationssystem soll 2015 den eingeschränkten Betrieb aufnehmen.

Pluto wird vom Pech verfolgt - nicht nur in der griechisch-römischen Mythologie bei seinen Liebschaften, sondern auch in der planetaren Weltordnung. 2006 entzog ihm die Internationale Astronomische Union den Planetenstatus und degradierte ihn zum Zwergplaneten.

Besuch für Pluto

2015 ist ihm jedenfalls viel Aufmerksamkeit sicher. Pluto bekommt erstmals Besuch von einer Raumsonde. Nach neun Jahren Flugzeit ist die Nasa-Sonde New Horizon endlich in der Nähe des Zwergplaneten angelangt, sie nimmt ab Jänner ihre Beobachtungsarbeit auf und wird sich am 14. Juli 2015 auf ihrem Vorbeiflug am nächsten zu Pluto befinden - in einem Abstand von nur knapp 10.000 Kilometern.

Die Sonde soll helfen, mehr über die Geologie und die Oberflächenbeschaffenheit von Pluto und seinen Monden zu erfahren. Nebenbei bemerkt: Als die Sonde im Jänner 2006 startete, war Pluto noch einer der ehemals neun Planeten unseres Sonnensystems - und man hatte auch erst einen seiner bisher fünf Monde erspäht.

Mit Spannung erwartet wird auch der Neustart des Teilchenbeschleunigers LHC am Europäischen Kernforschungszentrum Cern. Nach zweijähriger Pause sollen im März wieder erste Teilchen im LHC zirkulieren und ab Mai mit einer Kollisionsenergie von 13 Teraelektronenvolt aufeinanderprallen. Das ist ein Novum: In den ersten drei Jahren seines Betriebs brachte der Teilchenbeschleuniger eine Kollisionsenergie von sieben bis acht Teraelektronenvolt zusammen.

Mit dem Large Hadron Collider wurde zuletzt das Higgs-Teilchen nachgewiesen. Seine Existenz hatten knapp ein halbes Jahrhundert zuvor Peter Higgs und François Englert vorausgesagt.

Der neu gestartete LHC soll nun weitere Studien zum Higgs-Teilchen wie etwa auch zur unsichtbaren Dunklen Materie ermöglichen. Die rätselhafte Substanz stellt, so die Annahme der Astrophysiker, immerhin 23 Prozent der Energie im Universum. Nachgewiesen werden konnte sie bisher aber noch nicht.

Ein Teilchenbeschleuniger kann auch medizinischen Zwecken dienen. So künftig der Fall bei MedAustron. Im Forschungszentrum in Wiener Neustadt sollen ab Ende 2015 erste Krebspatienten behandelt werden - mit einer neuartigen Ionenstrahltherapie: Dabei werden Protonen oder Kohlenstoffionen zunächst auf bis zu zwei Dritteln der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und dann auf die Tumore von Patienten gelenkt, wo sie die Krebszellen gezielt zerstören.

Das umliegende Gewebe indes wird bei dieser Methode sehr wenig in Mitleidenschaft gezogen. Mit Anfang Jänner erhält das Projekt personelle Verstärkung: Der Schwede Lembit Sihver ist neuer Professor für Medizinische Strahlenphysik am Atominstitut der TU Wien und MedAustron.

Zurück zum Licht: Am 20. März wird die nächste totale Sonnenfinsternis stattfinden - sie wird allerdings nur vom Nordatlantik aus zu beobachten sein. Von Wien aus wird sich die Sonne zu 70 Prozent verdunkeln. Dieses Naturereignis ist nach den Berechnungen der Astronomen die letzte von Wien aus zu beobachtende Sonnenfinsternis bis zum 10. Juni 2021. (Lena Yadlapalli, DER STANDARD, 31.12.2014)