Mannschaftsbesprechung einmal anders: Die Fußballer des Gehörlosen-Sportclubs Linz unterhalten sich in Gebärdensprache. Während des Spiels ist die Kommunikation schwieriger, aber nicht unmöglich.

Foto: ÖGSV

Mödling - Lukas Lang ist mit seiner Mannschaft gar nicht zufrieden. "Die Jungen wollen nur Tore schießen." Die Abwehrleistung sei zum Vergessen. Lang (26) ist Torhüter des WGSC 1901. Seine Mitspieler sind großteils Teenager. Vier Partien, vier Niederlagen, Torverhältnis 2:17. Der Wiener Verein landet in der Hinrunde der Futsal-Staatsmeisterschaft für Hörgeschädigte auf dem letzten Platz. Lang trägt ein Hörgerät, auf dem Spielfeld darf er das nicht. Dort werde viel gefuchtelt. Torhüter wurde er, weil er zu faul zum Laufen war. Früher wog er um 40 Kilo mehr. "Jetzt bin ich noch immer zu faul zum Laufen."

Fünf Mannschaften spielen um die Meisterschaft. Die Hinrunde in der Europa Sport Mittelschule Mödling ist absolviert. Die Titelentscheidung fällt am 7. Februar in Graz. Chancen auf den Sieg - das war schon vorher klar - haben nur zwei Teams: GSC Linz und GSZ Graz. "Die Grazer spielen sehr taktisch, sie trainieren viel", sagt Michael Pessl (44), während er das Spitzenspiel beobachtet. Der ehemalige Technische Delegierte für Fußball und Futsal beim Österreichischen Gehörlosensportverband (ÖGSV) ist nunmehr im Strafausschuss tätig. In Mödling gibt er zudem einen Verteidiger für NÖ Süd GSHK/WGSC 1901. Wie viel er trainiert habe? Pessl winkt ab. "Ich bin schon alt." Er zeigt auf den Grazer Spieler mit der Rückennummer sieben: "Ein guter Mann."

Talent aus Graz

Ardit Halimi (16) Position: rechtes Mittelfeld. "Ich würde lieber Stürmer spielen." Fünf Treffer erzielt er in Mödling. Dreimal wöchentlich trainiert Halimi - meistens mit Hörenden. Er spielt in der U17 des Post SV Graz. Mit dem GSZ Graz wollte er in Mödling alles gewinnen. Das klappte knapp nicht. Die Steirer unterlagen den Linzern mit 2:3.

Gespielt wird nach den üblichen Regeln der Hallenfußball-Variante Futsal. Nur kommuniziert wird anders. Manchmal schreiend, meistens gestikulierend. Das erfordert viel Blickkontakt. Die Taktik wird vorher festgelegt. Auf dem Spielfeld seien derartige Absprachen schwierig, sagt Pessl. Es gibt Möglichkeiten und es gibt Unmöglichkeiten. Tormann und Stürmer können sich auf dem Feld kaum unterhalten. Pessl: "Dann muss der Goalie eben kurz abspielen."

Zeichen und Pfiffe

Die Kommunikation zwischen Schiedsrichtern und Spielern ist auch nicht einfach. Die Schiris beherrschen die Gebärdensprache nicht, aber die wichtigsten Zeichen. Gepfiffen wird auch hier. Manchmal dauert es, bis es alle mitbekommen. Grobe Kommunikationsprobleme sind in Mödling aber nicht zu bemerken. Fußball ist Fußball.

NÖ-Süd GSHK/WGSC vs. Linz. 0:3 nach drei Minuten. Foul an Michael Pessl. Er bleibt benommen liegen. Stille. Nasenbluten. Für Pessl ist das Spiel vorbei. Für sein Team praktisch auch. 1:5 zur Pause, 1:11 15 Minuten später. Ein dröhnender Signalton erlöst Pessls Team.

Barbara Duschet ist froh, dass das Turnier zustande gekommen ist. Die Generalsekretärin und Tochter des Verbandspräsidenten ist quasi das Sprachrohr des ÖGSV. Sie kann hören und gebärden. Es gebe zu wenige Teams, zu wenige Spieler. Fußballturniere gibt es daher kaum noch. Für die Mitgliedschaft in einem Gehörlosenverein darf man nicht weniger als 55 Dezibel Hörverlust am besseren Ohr aufweisen. "Viele Gehörlose sind in Integrationsklassen versteckt", sagt Duschet. "Sie wissen oft nicht, dass es Gehörlosensport gibt." Zudem ordnen sich Schwerhörige häufig nicht dieser Kategorie zu.

500 Menschen sporteln in einem der 14 Vereine österreichweit. Die größten internationalen Erfolge werden im Tennis, Badminton, Skifahren und Snowboard gefeiert. Gelegenheit dafür bietet sich Ende März 2015 in Chanty-Mansijsk (Russland) bei den Deaflympics. Voraussichtlich sieben Österreicher - fünf Skifahrer und zwei Snowboarder - werden zu den Spielen für Hörgeschädigte, entsandt. Viel mehr wäre nicht drinnen.

Knappe Ressourcen

Die Ressourcen für den Gehörlosensport sind knapp. Duschet: "Es ist jedes Jahr ein Überlebenskampf." Seit 2014 sind sie noch knapper. Der ÖGSV ist ein Verlierer des novellierten Bundes-Sportförderungsgesetzes. Jährlich erhält er nun 120.000 Euro statt wie bisher 170.000 Euro an Subventionen. Eingespart müsse überall werden - auch bei den Sportlern.

Immerhin - die Anreisekosten für das nächste Futsal-Großereignis halten sich in Grenzen. Die Champions League steigt vom 17. bis 21. Februar in Graz. 16 europäische Mannschaften spielen um den Titel.

Meister in Graz

Österreich wird durch Meister Linz und Veranstalter Graz vertreten sein. Im Vorjahr setzte sich in Turin CDS Huelva aus Spanien durch. Graz wurde Zehnter. Die Linzer nehmen erstmals an dem seit 2008 jährlich ausgetragenen Turnier teil. Und damit auch Martin Molterer. Der 28-Jährige spielt links im Mittelfeld und seit 25 Jahren Fußball. Mittlerweile kickt er zweimal wöchentlich. "Das reicht." Schließlich wollen Frau und Tochter auch etwas von ihm haben. Fußball spielt er aus Leidenschaft und aus Spaß an der geteilten Freude. In Mödling freuen sich die Mitspieler viermal mit dem Torschützen Molterer, 26-mal über Linzer Treffer und den Tagessieg. Aber für Molterer steht der Spaß vor dem Erfolg: "Fußball ist mein Leben." (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 31.12.2014)