Neugierige Mitarbeiter stellen unbequeme Fragen und blicken auch jenseits ihres Aufgabengebiets.

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Die Neugier ist der Treibstoff für Innovation. Ohne Neugier keine Veränderung. Erst in den letzten Jahren widmet sich die Forschung diesem Thema. Und: Neugier ist ein sehr flüchtiger Zustand. Um ihn möglichst lang im Unternehmen zu halten, braucht es geeignete Rahmenbedingungen und passende Mitarbeiter.

Das Zukunftsinstitut hat in seiner aktuellen Studie "Neugiermanagement" neue Erkenntnisse der Neugierforschung analysiert. Denn die "old economy" sei vom Aussterben bedroht, nur würden das viele Unternehmen derzeit noch nicht mitbekommen, weil sie bei dem, was sie tun, noch sehr erfolgreich sind.

Disruptiver Wandel

Dass die Erfolgswelle aber schnell brechen kann, zeigen Beispiele wie Kodak, das die Digitalfotografie nicht ausreichend ernst nahm, oder Nokia, das die Bedeutung von Smartphones lange unterschätzte. Start-ups wie Uber oder Airbnb bringen gerade bestehende Modelle gehörig ins Wanken.

Etablierte Unternehmen tun sich schwer, einen disruptiven Technologiewandel in ihrer unternehmerischen Strategie umzusetzen. Denn ihre Neugier richtet sich hauptsächlich auf Märkte und Kunden, doch "unbedingte Kundenorientierung kann sich als fataler Fehler erweisen", schreibt Clayton Christensen, Professor an der Havard Business School, in seinem Buch The Innovator's Dilemma (2013). In seinen Forschungen hat er das Scheitern großer Unternehmen analysiert und kommt zu dem ernüchternden Schluss: "Die Entscheidungen, die letztlich ursächlich für den Niedergang großer Unternehmen sind, werden zu einem Zeitpunkt getroffen, zu dem diese Firmen als die besten ihrer Branche gelten." Ihnen fehle nicht die Neugier, sie war aber zu einseitig ausgerichtet.

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, empfiehlt Christensen den Führungskräften, ihre Prognosen eher als falsch denn als richtig anzunehmen, und sie sollten nicht davon ausgehen, dass ihre Strategien auch grei- fen. Und schließlich müssen Führungskräfte lernen, was mit der Entwicklung des Marktes noch gelernt werden muss, so Christensen.

Wie Neugier geweckt wird

Neugier und die Lust, Neues entdecken zu wollen, wären dafür Voraussetzungen. Dennoch ist Neugier noch nicht im Fokus der Unternehmen. Auch die allgemeinen Wirtschaftsbedingungen sind dafür wenig förderlich. Denn in Zeiten, wo die Angst, den Job zu verlieren, größer wird, steigt der Wunsch nach Sicherheit und blockiert gleichzeitig die Neugier. Eine Umgebung zu schaffen, in der sich jeder traut, auch unbequeme Fragen zu stellen, ist für die anhaltende Neugier eine wichtige Grundvoraussetzung. Belohnungen bzw. Wertschätzung gehören ebenfalls dazu. Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, sind neugieriger und damit innovativer.

Die Bausteine für Neugier - Wissen, Wollen und Dranbleiben - brauchen aber auch eine passende Umgebung, Räume, wo das Staunen, das Nichtwissen, der Aha-Moment erlebt werden können, so die Analyse des Zukunftsinstituts. Auf höchstem technischem Stand eingerichtete Konferenzräume sind, so die Zukunftsforscher, dafür aber nur bedingt geeignet.

Autonomie, Kompetenz, Bezug

Unternehmen, die die Neugier ihrer Mitarbeiter fördern möchten, sollten an drei Punkten ansetzen: Autonomie, Kompetenz und Bezug. Menschen werden neugieriger, wenn sie mehr Wahlmöglichkeiten bekommen. Und Ereignisse, die Mitarbeitern das Bewusstsein vermitteln, dass sie effektiv mit der Umgebung interagieren, werden zu mehr Neugier führen. Außerdem lässt das Gefühl von Bezug - sich mit anderen verbunden zu fühlen - ebenfalls die Neugier steigen.

Neugierige Mitarbeiter sind nicht flatterhaft und verlieren nicht gleich nach wenigen Minuten das Interesse. Sie begeben sich vielmehr auf die Suche nach Informationen und wollen sich neues Wissen aneignen. In der Psychologie wird diese Eigenschaft als epistemische Neugier bezeichnet. Und darunter werden Eigenschaften gebündelt wie die Lust, Neues zu entdecken und zu lernen, sowie die Freude am Lösen von Problemen. Eigenschaften, die schon jetzt von Führungskräften erwartet werden.

"Bunte Hunde" gefragt

Aufgabe der Führungskräfte werde sein, ihre Mitarbeiter dazu zu animieren, über ihre Tätigkeitsfelder hinauszublicken. Innovationen entstehen schon jetzt an den Schnittstellen der Disziplinen, diese Cross-Innovation werde weiter zunehmen. Soziale Vielfalt ist, so die Autoren der Studie, die Grundlage für Neugiermanagement in Unternehmen. Leider tendieren Menschen dazu, sich mit ihresgleichen zu umgeben.

Soziale Monokulturen in den Firmen seien die Folge. Erst die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter ermöglicht verschiedene Herangehensweisen zu Problemstellungen. Neugierige Mitarbeiter zu finden werde eine der großen Herausforderungen für Unternehmen werden, prognostizieren die Zukunftsforscher. Aber die Suche lohne sich. Denn je größer die Neugier unter den Mitarbeitern ist, desto erfolgreicher wirtschafte das Unternehmen, zu diesem Ergebnis kommt Patrick Mussel, Neugierforscher und Professor an der Universität Würzburg. (DER STANDARD, 3./4.1.2014)