Sie ist das letzte Auffangnetz, das vor dem Abgleiten in die akute Armut schützen soll, und im kommenden September wird sie fünf Jahre alt: die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Eingeführt wurde sie, weil ihre Vorgängerin, die Sozialhilfe, vieles nicht schaffte: Während die einen kritisiert hatten, dass die Unterschiede je nach Bundesland zu groß waren, war anderen der Anreiz fürs Arbeiten zu gering. Doch von dem Ziel, länderübergreifend einheitliche Standards zu gewährleisten, ist man heute weit entfernt.

Fleckerlteppich

Zwar gibt es einen einheitlichen Grundbetrag, er liegt bei 814 Euro netto pro Monat. Wie viel man konkret erhält, ist aber höchst unterschiedlich geregelt, denn weiterhin hat jedes Bundesland sein eigenes Gesetz. Die Unterschiede betragen etwa bei Alleinerziehenden mit Kind bis zu hundert Euro, je nachdem, ob man in Kärnten oder in Oberösterreich lebt. Das liegt nicht nur daran, dass manche Länder auf den Mindestsatz noch etwas drauflegen. Sondern auch daran, ob beispielsweise Wohnbeihilfen angerechnet werden oder es Extrageld für unbedingt notwendige Sonderausgaben wie eine Gastherme oder Lernbehelfe für die Kinder gibt.

Zu niedrig

Kritik gibt es aber nicht nur daran, dass weiterhin jedes Land sein eigenes Süppchen kochen darf. Auch der vorgegebene Mindestsatz wird von vielen als zu niedrig betrachtet – schließlich liegt er 30 Prozent unter der Armutsgefährdungsschwelle der EU. Der Wohnbeitrag von 204 Euro deckt die tatsächlichen Mietkosten bei weitem nicht ab. Wer mehr braucht, kann sein Glück bei Sozial- und Wohnungsbehörden versuchen – und wird je nach Bundesland unterschiedlich erfolgreich sein. Einen Rechtsanspruch auf Unterstützung, der Betroffene vor einer drohenden Zwangsräumung schützt, gibt es aber nirgendwo.

Die Mindestsicherung sollte manche besser-, aber niemanden schlechterstellen, so vereinbarte es der Bund mit den Ländern bei der Einführung des neuen Modells. Doch teilweise blieb es beim Lippenbekenntnis. Die Beschwerden jener, die nach der Reform mit weniger Geld auskommen mussten als zuvor, blieben ohne Folgen: Das Verschlechterungsverbot findet sich zwar in einer 15A-Vereinbarung, wurde aber nicht landesgesetzlich verankert. Verstöße werden daher nicht sanktioniert.

Nicht nur die Gesetzeslage, auch die Praxis der Behörden wird kritisiert. Bei der Volksanwaltschaft häufen sich die Beschwerden, weil auf Anträge monatelang nicht reagiert wird – obwohl die Betroffenen das Geld meist akut und dringend benötigen.

Dazu kommt, dass sich der Staat auch weiterhin gerne an Verwandten oder (ehemaligen) Angehörigen abputzt: Wer beispielsweise geschieden ist und Anspruch auf Unterhalt hat, aber de facto kein Geld bekommt, fällt oft um die Mindestsicherung um – man solle den Unterhalt eben einklagen, heißt es dann.

Strenge Prüfung

Dass die Mindestsicherung eine Hängematte sei, in der man sich vor den rauen Anforderungen des Arbeitsmarktes ausruhen könne, wird oft behauptet – doch die Fakten zeigen das Gegenteil. Einerseits gibt es eine strenge Prüfung der Vermögensverhältnisse: Nur wer kaum etwas besitzt, hat Anspruch, wobei auch hier die Bundesländer unterschiedliche Standards anwenden. Zudem verliert man die Unterstützung, wenn man sich nicht kooperativ zeigt – also an Schulungen teilnimmt oder Bewerbungsgespräche wahrnimmt. Auch wer mit dem Geld "nicht sparsam" umgeht, wird bestraft: manche Regionen wandeln dann Teile der Unterstützung in Sachleistungen um, andere kürzen sie.

Der Anteil jener, die das Notgeld dringend brauchen würden, es aber nicht erhalten, ist hoch. Laut Angaben des European Centre for Social Welfare Policy and Research stellen 56 Prozent der Anspruchsberechtigten gar keinen Antrag – teils, weil sie zu wenig über ihre Rechte Bescheid wissen, teils aus Scham, teils, weil sie hoffen, ohnehin bald wieder einen Job zu finden – und sich den nicht geringen Aufwand des Ansuchens ersparen wollen. (Maria Sterkl, derStandard.at, 2.1.2014)