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König Abdullah im Juni 2014.

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Der Bruder von Abdullah, Salman, wird neuer König werden. Auf Google Maps wurde die Kronprinz-Salman-Straße schon umgetauft in König-Salman-Straße.

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Riad/Wien – Als der saudische König am Silvesterabend zu "Untersuchungen" ins Krankenhaus in Riad gebracht wurde, war allen Beobachtern des Königshauses der Ernst der Lage klar: Abdullah Ibn Abdulaziz Al Saud, der am Schluss nur mehr begrenzt arbeitsfähig war, aber noch immer die Fäden zog, hatte sich erst unmittelbar davor in seine Winterresidenz begeben, die wie alle seine Wohnstätten, als medizinisch bestens ausgestattet gilt. Am Donnerstagabend ist der König verstorben, wie das saudische Staatsfernsehen bekanntgab. Er war laut offiziellen Angaben im 91. Lebensjahr, nach manchen Angaben älter.

Abdullah, der fünfte Sohn des 1953 verstorbenen Staatsgründers Abdulaziz Al Saud auf dem Thron des Königreichs, folgte 2005 seinem Halbbruder Fahd nach. Viel länger als König war Abdullah zuvor Kronprinz gewesen, seit 1982. Allerdings hatte er seit einem Schlaganfall Fahds 1995 de facto die Geschäfte geführt.

Abdullah hat zwei seiner Kronprinzen überlebt: Prinz Sultan starb 2011, der nächste, Nayef, 2012. Der jetzige Thronanwärter Salman wird heuer achtzig Jahre alt, ihm wird eine Demenzerkrankung nachgesagt. Deswegen und wohl auch wegen seiner eigenen Erfahrung mit einem amtsunfähigen König trug Abdullah Sorge dafür, dass die Nachfolge über Salman hinaus geregelt wird: Im Frühjahr 2014 machte er Prinz Muqrin, mit 69 der jüngste der überlebenden Abdulaziz-Söhne, zum Vizekronprinzen. Nach ihm wird die Krone an ein Mitglied der Enkelgeneration gehen.

Gründung des Kronrats

Abdullah ließ sich die Entscheidung, Muqrin zum Nachfolger Salmans zu bestimmen, durch den von ihm 2006 ins Leben gerufenen Kronrat, in dem die Vertreter der Familienzweige sitzen und künftig die Thronfolge untereinander aushandeln sollen, absegnen: nicht ohne Widerstände, wie es hieß. De facto nahm er Salman das Recht, einen eigenen Kronprinzen einzusetzen – auch wenn es Tradition hat, dass der saudische König über seinen direkten Nachfolger hinaus denkt.

Dass Salman trotz seiner Erkrankung noch regelmäßig auftritt, deutet der Saudi-Arabien-Experte Simon Henderson als Hinweis, dass dessen eigene Nachkommen sich nicht ausbooten lassen wollen. Aber auch ein Sohn Abdullahs ist gut positioniert – Miteb ist Chef der Nationalgarde –, es gibt aber auch noch andere starke Kandidaten, etwa Muhammad, den Sohn des verstorbenen Kronprinzen Nayef.

Auf alle Fälle kommt die Linie der Abdulaziz-Söhne langsam an ihrem Ende an: Das macht das Ableben König Abdullahs in besonders turbulenten Zeiten – die Bedrohung durch den "Islamischen Staat", der ungelöste Hegemonialkonflikt mit dem Iran – so brisant. Ein Machtkampf zwischen den Familienzweigen könnte das Königreich destabilisieren. Das mag die Kritiker der absoluten Monarchie Saudi-Arabien, in der westliche Menschenrechtsstandards keine Rolle spielen, zwar freuen, aber einen neuen Krisenherd kann sich niemand ernsthaft wünschen.

Eine Rashid als Mutter

Als das Königreich Saudi-Arabien 1932 gegründet wurde, war Abdullah Ibn Abdulaziz acht Jahre alt. Das war, bevor der große Ölreichtum viel Geld ins Land spülte: Der als bescheiden geltende und die beduinischen Tugenden hochhaltende fromme Abdullah starb als superreicher Mann. Abdullahs Mutter war eine Rashid, also aus jener Familie, die die Sauds in der Provinz Hail besiegten, wie sie ja auch die Haschemiten aus Mekka und Medina herauswarfen. 1961 wurde Abdullah Bürgermeister von Mekka, schon kurz danach wurde ihm die Nationalgarde anvertraut.

1975 ernannte ihn König Khalid zum zweiten Vizepremier, zum Ärger des damaligen Kronprinzen Fahd. Denn die Position galt damals schon als Sprungbrett für zukünftige Kronprinzen, und Fahd hätte da lieber Prinz Sultan gesehen, wie er selbst Sohn von Abdulaziz-Gattin Hassa al-Sudairi. Die "sieben Sudairis" galten lange als die stärkste Gruppe innerhalb der Familie Saud.

Abdullah hat sie überlebt. Der alte König, der von außen als Vertreter des rückständigsten Landes der Welt angegriffen wurde, in dem Frauen nicht einmal Auto fahren dürfen, hatte im Inneren einen ganz anderen Ruf. Er galt als Reformer. Sein Schritt, Frauen in die Schura, ein ernanntes Beratungsgremium, zu bestellen, wurde in konservativen Kreisen kritisch gesehen. 2015 sollen Frauen erstmals an Gemeindewahlen teilnehmen. Abdullah hat einen "Nationalen Dialog" ins Leben gerufen und versucht, mit der Gründung des "King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue" (Kaiciid) seine Erkenntnis, dass sich auch Saudi-Arabien der kulturellen Globalisierung nicht verschließen kann, in eine Form zu gießen.

Gelungen ist ihm das nicht wirklich, zu groß ist das Missverhältnis zwischen dem Dialoganspruch und den Realitäten in Saudi-Arabien. Genauso wie man außerhalb Saudi-Arabiens die Anti-Radikalismus-Kampagne, die Abdullah zuletzt ins Leben rief, nicht würdigen konnte. Das Königreich, aus dem ein Großteil der Attentäter von 9/11 und auch Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden stammten, wird seinen Ruf als Exporteur des sunnitischen Radikalismus, der sich zurzeit in furchtbarer Form im "Islamischen Staat" manifestiert, nicht mehr los. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 23.1.2015)