Welche bildungspolitischen Positionen die Arbeitsgruppenmitglieder bisher vertreten haben, verrät ein Blick in das Archiv.

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Auf dem Stundenplan steht: die Neuordnung des heimischen Bildungssystems.

Foto: APA/Arno Burgi

Wien - So ein Jahr ist schnell um, das dürfen auch die politischen Verantwortungsträger jedes Jahr aufs Neue erfahren. Besonders schnell vergangen scheint die Zeit diesmal für jene acht Arbeitsgruppenmitglieder, die sich - jetzt aber wirklich - an die Neuordnung des heimischen Bildungssystems machen wollten. Am 15. Oktober von den Regierungsparteien formal eingesetzt, hat sich die Reformgruppe bisher kein einziges Mal zusammengesetzt. Und auch die von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) angepeilte erste Arbeitssitzung am 16. Jänner wird nicht halten, wie DER STANDARD erfuhr. Ende Jänner erfolgt ein neuer Anlauf, letzte Koordinierungsgespräche sollen nach dem Dreikönigstag aufgenommen, der Termin erst danach öffentlich gemacht werden. Sicher ist sicher.

Pröll bringt sich in Stellung

Das schleppende Tempo hat auch mit der Zusammensetzung des politisch gewichtigen Gremiums zu tun. So haben die Landeshauptleute ihre Verhandlungsführer erst Mitte November offiziell bestellt. Auf SPÖ-Seite sind das die Landeshauptmänner Kärntens und des Burgenlands, Peter Kaiser und Hans Niessl. Die ÖVP hat neben Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer den Niederösterreicher Erwin Pröll in Stellung gebracht. Von Bundesseite mit im Team: Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat Kanzleramtsminister Josef Ostermayer an ihrer roten Seite, der schwarze Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, Harald Mahrer, ringt mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner um die Durchsetzung der ÖVP-Positionen. Wobei noch nicht ganz klar ist, ob mit- oder gegeneinander. Mikl-Leitner ist in Bildungsfragen der koalitionsinterne "Spiegel" zu Heinisch-Hosek und vertritt als ÖAAB-Chefin klassisch schwarze Bildungspositionen, während Mahrer darum bemüht ist, der Partei hier zumindest semantisch frischen Wind zu verleihen.

Welche Ergebnisse konkret von der neuen Taskforce zu erwarten sind, oder welcher Zeitrahmen angepeilt wird, will aber auch er im Vorfeld nicht beantworten. Mahrers Motto: bekannte Battlefields wie die seit Jahren mit einer großen Portion Ideologie versehene Diskussion über die Gesamtschule vermeiden, unstrittige Maßnahmen vor allem im Klein(st)kindbereich vorrangig behandeln. Dann wird das Ganze noch mit einem neuen Sprachanstrich versehen. "Evidenzbasiert" ist etwa eines der Lieblingsworte des Staatssekretärs in Zusammenhang mit jeglicher Veränderung im Bildungssystem. Heißt: "Lassen wir die Fakten sprechen."

Und die sind unter Experten in vielen Bereichen seit Jahren mehr oder weniger unstrittig. Mehr Individualisierung, mehr Schulautonomie, Sprachförderung ab dem Kindergarten, mehr Unterstützungspersonal, Wissenserwerb in größeren Zusammenhängen statt thematisch in Fächer und zeitlich in 50-Minuten-Takte zersplittert - um nur einige zu nennen. Ein parallel zur politischen Gruppe arbeitendes Bund-Länder-Gremium hat sich bereits mehrmals zu Beratungen getroffen und wird in seinem für März erwarteten Bericht wohl einige dieser Vorschläge aufgreifen.

Das Beste für die Kinder

Dass sie das Beste für die Kinder wollen, bekunden Politiker gerne. Welche bildungspolitischen Positionen die acht Arbeitsgruppenmitglieder bisher vertreten haben, verrät ein Blick in das Archiv. Erwin Pröll etwa ist immer wieder für Irritationen gut, auch im Bildungsbereich. Etwa, wenn es um mehr Einfluss auf das Lehrpersonal geht. Er argumentiert mit Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis. Die Unterrichtsministerin kann diese Vorteile nicht erkennen und fürchtet eine Zersplitterung des Bildungswesens.

Im Sommer 2010 wollte Pröll trotzdem bereits erfolgreich für eine "Verländerung" aller Lehrer lobbyiert haben, zog sich nach Dementis von Regierungsseite dann aber darauf zurück, dass es lediglich "Gespräche" gäbe. Die gab es auch im April 2014, immer noch zum gleichen Thema. Diesmal grub Burgenlands Landeschef Niessl ein Positionspapier aus dem Jahr 2009 wieder aus. Dessen Kernbotschaft: Gebt den Ländern die Lehrer. Außerdem betont Niessl, der sich auch eine Volksbefragung zur flächendeckenden Einführung der Neuen Mittelschule vorstellen kann, gerne, es dürfe keinesfalls "im Klassenzimmer" gespart werden. Und Niessl hat sich bereits 2010 das Ziel gesetzt, "bis Jahresende" einen "wirklich großen Reformentwurf" zu landen.

Erwin Pröll fiel darüber hinaus in den vergangenen Jahren vor allem mit dem "niederösterreichischen Modell" auf. Das sieht eine Verlängerung der Volksschule um zwei Jahre vor. Denn (oder aber), sagt Pröll: "Eine Gesamtschule wäre nicht das meine." Auch der "Einheitsbrei" kam im Wahlkampf 2013 aus seinem Munde.

Mikl-Leitners No-Gos

Dieses heikle Thema wollen die Koalitionspartner seit ihrer Klausur im September 2014 aber ohnehin meiden. Das Sechs-Punkte-Programm, auf das man sich in Schladming verständigt hat, umfasst eher unstrittige Punkte wie die Erprobung von Schuleingangsphasen, also der intensiveren Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Volksschule. Sollte die Gesamtschule doch zur Sprache kommen, ist Johanna Mikl-Leitner gewiss an Prölls Seite.

"Das ist ein No-Go", befand sie 2011, und 2014 wurde bekräftigt: "Das Gymnasium ist für die ÖVP unumstritten" - da war freilich noch Michael Spindelegger der Chef. Gefahr barg für Mikl-Leitner 2011 auch die "Zwangstagsschule", auch 2013 wollte sie "keine Verstaatlichung der Kinder" und plädierte für Wahlfreiheit. Für Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer gehörte der diminutive Stempel "Zwangstagsschule" spätestens seit 2001 der Vergangenheit an, zuletzt war er neben dem Vorarlberger Landeschef Markus Wallner und dem Tiroler Günther Platter Teil jener schwarzen "Westachse", die Druck in Sachen Gesamtschule aufgebaut hat.

Kaiser spricht sich immer wieder gegen eine Verländerung des Lehrpersonals aus, für Bundeskompetenz im Kindergartenbereich sowie die Einführung des Fachs "politische Bildung". Einzig Ostermayer hat sich noch wenig zu Bildungsfragen geäußert.

Inspirierende Reise, reale Geldknappheit

Wenn die AG sich Ende des Monats erstmalig trifft, wird man sich auf einen groben Fahrplan einigen. Dann ruft Heinisch-Hosek zum Kassasturz: "Es ist knapp mit dem Geld." Vergleichsweise leichter realisierbar scheint auf der To-do-Liste eine Stärkung der Schulautonomie, etwa bei der Lehrerbestellung. Kostet auch nichts. Kommenden Donnerstag holt sich die Ministerin Inspiration in Holland und nimmt die Kollegen von der politischen Konkurrenz mit. Sie gehe "optimistisch" in die Verhandlungen, lässt sie wissen (Karin Riss, DER STANDARD, 5.1.2015)