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Über allen Häuptern - auch über jenem von Premier Matteo Renzi - schwebt in Italien stets Silvio Berlusconi.

Foto: REUTERS/Remo Casilli

Manchmal sind Regierungsdekrete auch kleine - oder größere - Geschenke; wie zum Beispiel jenes zur Neuregelung von Fiskaldelikten in Italien: Es besagt, dass alle Steuervergehen, Betrug inbegriffen, dann straflos bleiben sollen, wenn der hinterzogene Betrag drei Prozent des versteuerbaren Einkommens nicht überschreitet.

Die Regelung scheint einem prominenten italienischen Steuersünder geradezu auf den Leib geschneidert zu sein: dem im August 2013 wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft und sechs Jahren Ämterverbot verurteilten Ex-Premier Silvio Berlusconi.

Sturm gegen "Rettet-Berlusconi-Dekret"

Das "Rettet-Berlusconi-Dekret", wie es von den Medien umgehend genannt wurde, beherrscht in Italien seit Neujahr die Schlagzeilen - und es befeuert den seit längerem im Raum stehenden Verdacht, dass es zwischen dem bald 40-jährigen Regierungschef und dem 78-jährigen Ex-Premier einen Geheimpakt gebe.

Etwa in der Art: Berlusconi beschafft im Senat mit seiner Forza Italia die fehlenden Stimmen für Renzis Reformen - und im Gegenzug sorgt der sozialdemokratische Regierungschef dafür, dass die Verurteilung des Mailänder Multimilliardärs aufgehoben und ihm die Rückkehr in die Politik ermöglicht wird.

Ominöse Absprachen

Tatsächlich hatte Renzi schon kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen Februar, also vor knapp einem Jahr, mit Berlusconi einen "Pakt für Reformen" geschlossen - dieser beschränkt sich aber offiziell auf die Staatsreform und die Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes. Sowohl Renzi als auch Berlusconi beteuern unentwegt, dass es keine weitergehenden Absprachen über Straffreiheit oder auch über die in wenigen Wochen bevorstehende Wahl eines Nachfolgers für Staatspräsident Giorgio Napolitano gebe.

Der Passus im neuen Steuerdekret sei "ein Versehen" und "nicht für eine bestimmte Person" gedacht, versichert Renzi: Wer das Steuerrecht reformiere, der tangiere eben früher oder später unweigerlich ein Verfahren gegen Berlusconi. Die umstrittene Regelung werde "natürlich wieder gestrichen".

Ausgestanden ist die Sache für den Regierungschef damit freilich nicht. "Entweder weiß Renzi nicht, welche Gesetze er unterschreibt - oder er macht Berlusconi Geschenke. Das ist so oder so bedenklich und lässt für das neue Jahr nichts Gutes erwarten", wettert Luigi Di Maio von Beppe Grillos Protestbewegung.

Kritik: "Dilettantisch"

Steuerrechtsexperten kritisieren das Dekret außerdem als dilettantisch: Es laufe darauf hinaus, dass zahlreiche Steuerdelikte entkriminalisiert würden - das sei in einem Land, das in Sachen Steuerehrlichkeit weltweit einen der hintersten Plätze belege, das falscheste Signal, das eine Regierung aussenden könne.

In Verlegenheit gebracht hat sich Renzi auch mit einem privaten Skiurlaub: Um ins Nobelskigebiet Courmayeur zu gelangen, benutzte er mit seiner Familie einen Learjet der Regierung. Der Premier rechtfertigte sich mit "Sicherheitserfordernissen". Nur: Der von Renzi abservierte Amtsvorgänger Enrico Letta hatte für seinen Skiurlaub in Slowenien vor einem Jahr einen Linienflug nach Triest und von dort aus einen Mietwagen gebucht.

Häme wegen Luxus-Skiurlaubs

"Während zehn Millionen Italiener unter der Armutsgrenze leben, fliegt Renzi auf Staatskosten in den Skiurlaub", ätzt Di Maio und kündigt eine Anhörung der staatlichen Flugaufsicht an.

Das unter Verrenkungen wieder zurückgezogene "versehentliche" Weihnachtsgeschenk an Berlusconi sowie die Benützung eines Regierungsjets für einen Privaturlaub haben das Saubermann-Image Renzis also stark beschädigt - das zeigt auch ein Blick in Internetforen und Leserkommentare diverser italienischer Online-Medien auf unmissverständliche Weise. (Dominik Straub, DER STANDARD, 7.1.2015)