Mira heißt dieses Baby aus der Doku. O-Ton: "Mira wird statistisch gesehen über 83 Jahre alt und läuft Gefahr, chronisch krank zu werden."

Foto: Arte / Christian Roth

Gesundheitsdokus sehen heißt in Alarmbereitschaft gehen. Will uns das Fernsehen schon wieder Angst machen vor neuen Virenstämmen, Ernährungsgeboten, Impfkuren? Haben wir nicht doch irgendeine Pustel, das dringend behandelt gehört?

Auch die Arte-Doku "Alte Freunde – neue Feinde. Was unsere Kinder chronisch krank macht" am Dienstagabend unterlegt ihre tristen Statistiken zu Asthma- und Diabetes mit nervöser Klaviermusik. Sie spart nicht an markigen Sprüchen: "Die USA hat es schon voll erwischt. Die Welle von ADHS-Erkrankungen schwappt nach Europa über." Dazu zeigt man abwechselnd zappelnde, intubierte oder von Neurodermitis gezeichnete Kinder.

Plädoyer für schmutzige Kindheit

Bert Ehgartners Film ist aber keine Reportage, die den Medikamentenkauf ankurbeln wird. Offenbar zunehmende chronische Erkrankungen von Kindern in Industrieländern sind zwar Ausgangspunkt der Dokumentation; sie schlägt in ihrem Alarmismus aber ganz unerwartete Wege ein - und wird zum Plädoyer für eine schmutzige Kindheit.

Denn Keime helfen von Geburt an, das Immunsystem aufzubauen; heutige Hygienevorschriften, sterile Lebensräume und maximal entkeimte Nahrung eher weniger. Man nennt es den "Stalleffekt", da Bauernkinder anscheinend nie an Asthma erkranken.

Stuhltransplantation

Während Kinder in abgeschiedenen Dörfern nahe Jakarta im Schlamm spielen, um sich keimtechnisch zu wappnen, sieht das im Westen dekadenter aus: So werden etwa an der Medizinischen Universität in Graz chronische Darmerkrankungen mit einer sogenannten "Stuhltransplantation" (Exkremente eines Spenders) behandelt. Mit Erfolg. Vielleicht sollten wir doch häufiger in den Streichelzoo gehen? (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 7.1.2014)