An der Pariser Place Beauvau können Karrieren aufgebaut werden - oder grandios scheitern. Zu jenen, die als vormalige französische Innenminister schräg gegenüber im Élysée-Palast als Staatspräsident Platz nehmen konnten, gehören François Mitterrand, Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy; und Dominique de Villepin und Manuel Valls bezogen immerhin als Premierminister das Hôtel Matignon am linken Seine-Ufer.

Ein solcher Karriereverlauf ist im Fall des aktuellen Innenministers Bernard Cazeneuve kaum zu erwarten. Der 51-jährige Sozialist gilt als loyaler Parteifunktionär - und nicht als einer, der selbst an die Spitze will. Wohl auch deshalb machte ihn Manuel Valls im April 2014 zu seinem Nachfolger, als er selbst zum Premierminister aufrückte: Cazeneuve gilt als Mann der zweiten Reihe und dürfte Valls kaum gefährlich werden bei dessen eigenen Ambitionen auf den Élysée-Palast.

Cazeneuve ist ein Veteran der Pariser Ministerialbürokratie: Nach dem Jusstudium an der Elitehochschule IEP in Bordeaux arbeitete er Ende der 1980er-Jahre als Jurist bei der genossenschaftlichen Banque Populaire, doch schon bald zog es ihn in die Politik; zunächst als Berater, dann als Büroleiter diverser Staatssekretäre.

In eigener Sache machte Cazeneuve, der aus einer sozialistischen und politisch aktiven Familie stammt, zunächst auf regionaler Ebene Karriere. 1997 zog der verheiratete Vater zweier Kinder erstmals in die Nationalversammlung ein, verlor das Mandat 2002 und gewann es 2007 neuerlich.

2011 wurde Cazeneuve - der als Vertrauter von Außenminister Laurent Fabius gilt - einer von vier Sprechern von Präsidentschaftskandidat François Hollande. Nach gewonnener Wahl 2012 war seine Ernennung zum Europaminister keine Überraschung. 2013 musste Budgetminister Jérôme Cahuzac wegen Steuerhinterziehung zurücktreten. Parteisoldat Cazeneuve übernahm auch diesen Job.

Seinen aktuellen Posten verdankt der loyale Staatsdiener der politischen Schwäche Hollandes: Nach der Niederlage der Sozialisten bei den Kommunalwahlen im März mussten Köpfe rollen. Nicht aber jener von Cazeneuve: Er kletterte die Leiter weiter empor und wurde Innenminister.

Der Anschlag auf die satirische Wochenzeitung "Charlie Hebdo" fällt zwar in Cazeneuves Zuständigkeitsbereich; doch wenn es einen Politiker gibt, der den Fall zum eigenen Karrierevorteil nützt, dann ist das sicher nicht er, sondern Premier Valls. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 9.1.2014)