2014 war der bislang letzte Höhepunkt der Sonnenaktivität. Zumindest bei Norwegern, die im 18. und 19. Jahrhundert lebten, könnte diese Aktivität Einfluss auf die Lebenserwartung gehabt haben.

Foto: NASA/GSFC/AIA

Trondheim/Wien - Bereits seit der Antike ist bekannt, dass auch die Sonne ihre Schwankungen hat. Ihr sogenannter Sonnenfleckenzyklus dauert in etwa elf Jahre lang, davon zeigen sich in drei Jahren besonders viele Sonnenflecken. Während in Jahren geringerer Aktivität gerade einmal bis zu fünf dieser Flecken pro Monat zu beobachten sind, können es - wie im zu Ende gegangenen Maximum von 2013/14 - mehr als 100 monatlich sein.

Große Sonnenflecken können Wolken heißen Gases ins All schleudern. Bei solchen geomagnetischen Stürmen werden verstärkte Gamma-, UV- und Radiostrahlung gemessen, die für die Elektronik von Satelliten und Flugzeugen gefährlich werden können. Starke Sonnenstürme können sogar die Stromnetze auf der Erde in Mitleidenschaft ziehen, jedenfalls aber zu besonders spektakulären Nordlichtern auch weiter im Süden führen.

Bisher ging man davon aus, dass solche Phasen erhöhter Sonnenaktivität - wenn überhaupt - nur geringe Auswirkungen auf biologische Vorgänge haben. Doch die Auswertung von Lebensdaten von mehr als 8600 Menschen, die zwischen 1676 und 1878 im mittleren Teil Norwegens zur Welt gekommen waren, scheinen nun eine andere Sprache zu sprechen.

Forscher um Gine Roll Skjærvø von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim (wo übrigens auch die aktuellen Medizin-Nobelpreisträger May-Britt Moser und Edvard Moser tätig sind) haben nämlich errechnet, dass jene Personen, die in Jahren geringer Aktivität geboren worden waren, im Schnitt 5,2 Jahre länger lebten als jene, die in einer Phase mit vielen Sonnenflecken zur Welt gekommen waren.

Doch das ist noch nicht alles: Skjærvø berichtet mit zwei Kollegen im Fachblatt Proceedings B der Royal Society auch davon, dass der Sonnenzyklus sich sogar auf die nächste Generation auswirken könnte: Vor allem Frauen aus unteren sozialen Schichten, die in Jahren erhöhter Sonnenaktivität zur Welt gekommen waren, hatten signifikant weniger Kinder, die zudem ebenfalls meist früher starben.

UV-Schädigung des Erbguts

Die Biologin Skjærvø und ihre Kollegen erklären die Daten damit, dass die erhöhte UV-Strahlung zu einer verstärkten Schädigung von Folsäure (Vitamin B) führt, die für die DNA-Synthese und für Reparaturprozesse im Erbgut zuständig ist. Das wiederum würde epigenetisch womöglich auch auf die nächste Generation weitergegeben.

Die Ergebnisse und die Erklärung sind jedoch umstritten. Eine frühere Studie, die auf historischen Daten aus zehn Ländern beruhte, verwarf Zusammenhänge zwischen Sonnenzyklus und Lebenserwartung. Die norwegischen Forscher erklären die Diskrepanz damit, dass Menschen in Norwegen eine besonders helle Haut hätten und deshalb schlechter vor UV-Strahlung geschützt seien.

Schließlich sei noch zu berücksichtigen, dass Menschen früher sehr viel mehr Zeit ohne den Schutz von Sonnencremen im Freien verbracht hätten. Außerdem hat es damals auch noch keine Folsäure-Prophylaxe für Schwangere gegeben. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 10.1.2015)