Der Polizist Ahmed Merabet war mit seinem Fahrrad auf dem Pariser Boulevard Richard-Lenoir unterwegs, als sich ein schwarzer Citroën näherte. Im Wagen saßen die Brüder Chérif und Saïd Kouachi, die gerade die Redakteure und Zeichner der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" brutal ermordet hatten. Ahmed zog seine Waffe, wurde aber von einem der Terroristen angeschossen. Die Mörder hätten weiter fliehen können, sprangen aber aus dem Auto und schrien den auf dem Boden kauernden Polizisten an: "Willst du uns töten?" Seine Antwort: "Nein, ist schon gut, Chef". Trotzdem richteten sie ihn mit einem Kopfschuss hin.

Ahmed Merabet war Muslim, Franzose algerischer Herkunft. Sein Bruder Malek hielt am Samstag eine berührende Rede. Ahmed sei stolz gewesen, als Polizist für Frankreich zu arbeiten und die Werte der Republik Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu verteidigen. Malek wandte sich in der Rede auch an alle Rassisten, Islamophoben und Antisemiten. Man dürfe Extremisten nicht mit Muslimen gleichsetzen: "Irre haben weder Farbe noch Religion."

Genau diese Gleichsetzung, vor der Ahmeds Bruder warnt, hat in Österreich das Nachrichtenmagazin "Profil" mit dem aktuellen Cover gemacht. "Was den Islam gefährlich macht", steht hier in großen Lettern unter dem Foto, auf dem die letzten Sekunden von Ahmeds 42-jährigem Leben abgebildet sind.

Ob man dieses Foto bzw. das dazugehörige Video aufgrund seiner Brutalität zeigen soll, ist eine Streitfrage. Die Familie hat sich laut diesem BBC-Video dafür ausgesprochen. Es bleibt allen Medien überlassen, ob sie ihre Leserschaft mit einer derart grausamen Darstellung konfrontieren wollen oder nicht. DER STANDARD hat sich bewusst dagegen entschieden.

So strittig die Fotofrage ist, eines ist klar: Die Verbindung des Wortbildes des gefährlichen Islams in Zusammenhang mit dem Foto bedeutet die Gleichsetzung von Islam und Terror. Das ist einerseits journalistisch völlig daneben und andererseits eine Entwürdigung von Ahmed Merabet, der als Muslim im Kampf gegen Terroristen gestorben ist.

Derartige Fehlgriffe passieren aktuell freilich nicht nur dem "Profil". Unter dem Eindruck des Schocks der Terroranschläge auf "Charlie Hebdo" wird zurzeit gerne auf die Objektivität gepfiffen. Auch unter sogenannten Qualitätsmedien herrscht ein Wettbewerb um die knackigste Einschätzung des unglaublich diffizilen Themas. Das passiert allzu oft nicht auf den Kommentarseiten, wo es hingehört, sondern auf Titelseiten und in Berichten. Undifferenzierte Meinungsmache hat unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung Hochsaison. In der Verteidigung der attackierten Satire glaubt der Journalismus alles zu dürfen.

Es wird Zeit für eine Rückbesinnung, die Medien sollten die Qualität ihrer Arbeit nicht von den Terroristen beeinflussen lassen. Wie der Journalismus auf den Terror in Paris reagieren sollte, ist im Editorial des "Guardian" sehr gut beschrieben:

"Die beste Antwort ist, sich nicht gezwungen zu fühlen, in einer anderen Art und Weise zu sprechen [...] Gewiss gibt es Spannungen zwischen dem absoluten Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Glauben vieler Muslime [...] Aber das ist hier nicht der wesentliche Konflikt. Die wahre Kollision gibt es zwischen der Meinungsfreiheit und einer sehr kleinen Anzahl an jihadistischen Mördern. Wir müssen unsere journalistischen Werte nicht verändern, um auf der richtigen Seite zu stehen." (Rainer Schüller, derStandard.at, 11.1.2015)