Italiens Wirtschaft wurde in den vergangenen Tagen von gleich zwei Hiobsbotschaften getroffen: Zum einen lag die Neuverschuldung mit 3,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in den ersten neun Monaten des Vorjahres nicht nur über dem Niveau von 3,5 Prozent 2013. Sie übertraf auch das in den Maastricht-Regeln vorgesehene Limit von drei Prozent.

Zum anderen erreichte die Arbeitslosenquote mit 13,4 Prozent ein neues Allzeithoch. Im Gegensatz zur EU-Arbeitslosenquote, die sich im November mit 11,5 Prozent auf dem Vormonatsvergleich stabilisierte, wurden in Italien im November 48.000 mehr Arbeitssuchende als im Oktober gemeldet. Dramatisch entwickelt hat sich dabei vor allem die Jugendarbeitslosigkeit mit einer Quote von fast 44 Prozent.

Kalte Dusche

Die Neuverschuldung von 3,7 Prozent war eine kalte Dusche für die Regierung Renzi. Diese hatte für 2014 ein Defizit von drei Prozent vorgesehen und versprochen, dieses heuer auf 2,9 Prozent zu senken. Ursprünglich waren mit der EU 2,5 Prozent vereinbart.

Nun ist es mehr als fraglich, ob Italien dieses Ziel erreichen wird. Denn nur ein kräftiges Wirtschaftswachstum oder ein Nachtragshaushalt könnten zum nötigen Defizitabbau führen. Doch Italiens Wirtschaft dürfte im vierten Quartal 2014 bestenfalls ein Nullwachstum erreichen. Für 2015 sieht der Chefvolkswirt der Banca Intesa Sanpaolo ein Wachstum von 0,4 Prozent vor. Damit lassen sich die öffentlichen Finanzen nicht sanieren und der Arbeitsmarkt nicht ankurbeln.

Ein Nachtragshaushalt müsste mindestens elf Milliarden Euro ausmachen, um den nötigen Defizitabbau zu erreichen. Doch Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan hat diesen ausgeschlossen.

Strafverfahren

Die EU-Kommission lässt sich bis Anfang März Zeit, um zu prüfen, ob Italiens Sanierungsmaßnahmen in Einklang mit den Stabilitätsregeln stehen oder ob Italien ein Strafverfahren angehängt wird. Das Urteil der EU wird auch davon abhängen, ob und wie die geplanten Strukturreformen umgesetzt werden. Derzeit scheint es nur wenig Auswege zu geben, um einen entsprechenden Schritt zu vermeiden.

Auch die Situation am Arbeitsmarkt hat sich im Vorjahr verschärft. Laut Arbeitsminister Giuliano Poletti werden sich die Auswirkungen der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Arbeitsmarktreform im Frühjahr zeigen. Doch Experten sind skeptisch. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Prometeia erwartet, dass Italiens Ar- beitslosenquote erst ab 2017 unter die Zehn-Prozent-Grenze sinkt. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, 12.1.2015)