Bild nicht mehr verfügbar.

Der Wechsel von Inflation und Deflation stellt für Anleger eine Fahrt auf der Hochschaubahn dar. Dividendentitel können ein Ausweg sein.


Foto: Foto: AP/Kaster

Wien - Geldentwertung, also Inflation, ist ein Phänomen, das es gibt, seit Geld erfunden wurde. Auch die Phasen, in denen sich Inflation mit Deflation abwechselt, sind keine Erscheinung der Moderne. Die Harvard-Wirtschaftswissenschafter Carmen M. Reinhart und Kenneth Rogoff beleuchteten in ihrem Buch This Time Is Different (deutsche Fassung: Dieses Mal ist alles anders) 2009 die Finanzkrisen und die Gezeitenwechsel in den Finanzsystemen über acht Jahrhunderte.

Dabei sind Daten der einst führenden Nationen wie Österreich, Frankreich, aber teilweise auch Deutschland überraschende Zeugen, wie rasch sich die monetäre Landschaft in kürzester Zeit verändern kann: So wurde Österreich (hier reichen die Daten bis 1440 zurück) im Jahr 1623 nicht nur vom Dreißigjährigen Krieg erschüttert, sondern auch, wenig überraschend, von einer heftigen Inflation mit 95 Prozent heimgesucht. Nur ein Jahr später sackte das Preisniveau in einer deflationären Phase um knapp 70 Prozent ab. Dies ist auch der Spitzenwert in Österreich.

Keine langen Trends

In den Daten von Reinhart und Rogoff zeigt sich, dass es lange Phasen mit einer klaren Tendenz in die eine oder andere Richtung vor dem 20. Jahrhundert nicht gab: Fast immer folgte auf einen extremen Ausschlag des Pendels in die eine Richtung ein ebensolcher in die andere - was auf längere Sicht eine ganz eigene Art der Stabilität brachte. Eine Ausnahme bilden die Phasen nach den beiden Weltkriegen, in denen die Inflation in Österreich über mehrere Jahre außergewöhnlich hoch war. Der Spitzenwert wurde übrigens 1922 mit 2544 Prozent erreicht.

Sparbuch-Blues

Jetzt droht Europa eine neue Phase der Deflation: Laut dem europäischen Statistikamt Eurostat sanken in der Eurozone die Preise erstmals seit fünf Jahren - der Standard berichtete. Die Lebenshaltungskosten sanken im Dezember im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozent. Das nährt die Furcht vor einer grassierenden Deflation, die viele Länder in der Eurozone bereits erfasst hat.

Das billige Öl - der Preis für die Marke Brent fiel zuletzt sogar unter 50 Dollar pro Fass - befeuert den Trend zusätzlich. In Deutschland ist die Inflation im Dezember auf 0,2 Prozent gesunken - weit entfernt vom Zielkorridor der EZB, die zwei Prozent ansteuert. Österreich ist hier mit 1,7 Prozent deutlich näher dran. Im Süden der EU, besonders in Griechenland und Spanien, sind die Preise stark rückläufig.

Für Anleger ist das Umfeld desaströs: Seit die Zentralbank die Sparbuchzinsen quasi abgeschafft hat und beim deutschen Nachbarn Strafzinsen auf Geldeinlagen bei Banken immer heftiger diskutiert werden (die Schweiz hat dies zum ersten Mal seit den 60er-Jahren bereits wieder eingeführt), fallen klassische Anlageformen wie Euro-Anleihen oder Sparbuch flach.

Dividendenpapiere attraktiv

Im Immobiliensektor scheint der Zenit in Österreich überschritten zu sein: Käufer können sich heuer über sinkende Preise freuen, wie das Maklerunternehmen Re/Max meldete.

Bleibt als Ausweg für gefrustete Investoren die Veranlagung in Aktien; besonders in jene mit guten Dividendenzahlungen. Für europäische Unternehmensanteile sprechen auch die nur durchschnittlichen Bewertungen, hohe Risikoprämien sowie ein historisch hoher Unterschied zwischen Aktienrenditen und Renditen von Unternehmensanleihen, meint das Investmenthaus Financière de l'Echiquier.

Denn auch bei Letzteren ist bei bester Bonität des emittierenden Unternehmens nichts zu holen: So ist bei einer Anleihe der Deutschen Bahn mit Laufzeit bis Jänner 2017 mit einem Koupon von vier Prozent die Rendite durch den hohen Kurs bereits negativ. Bei ähnlichen Papieren von BMW oder Daimler liegt sie bei traurigen 0,18 Prozent - und das vor Abzug der Kapitalertragsteuer.

Kursrisiko bleibt

In Österreich werden erfreuliche Dividendenrenditen über vier Prozent brutto heuer vom Verbund, der Post, der Buwog und Raiffeisen Bank International erwartet. Wer an schwachen Börsentagen zukauft (die im Wiener Leitindex ATX leider nicht so selten sind), kann sich bei günstigen Kursen vielleicht noch ein bisschen mehr herausschlagen.

Wer deutsche Titel bevorzugt, sollte ein Auge auf die Münchner Rück, ihre Versicherungstochter Allianz und den Energiekonzern E.On werfen. Auch diese Aktien lassen mit erwarteten Dividendenrenditen von über vier Prozent den Sparbuch-Blues vergessen. Das Kursrisiko bleibt natürlich. (Reinhard Krémer, DER STANDARD, 9.1.2015)