Der Riesentorlauf war die Kernkompetenz des Hubert Strolz, Olympiasieger wurde der Vorarlberger 1988 aber in der alpinen Kombination.

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Landwirt, Skiführer, Hotelier: Hubert Strolz 2015.

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Wien - Hubert Strolz ist ein echter Glückspilz. Das hätte zu seiner aktiven Zeit kaum jemand über den ehemaligen Skirennfahrer gesagt. Da fuhr der Vorarlberger im Weltcup stolze 34 Mal auf das Podest und gewann eine einzige Kombination. Aber 2013, da lag der 52-Jährige unter einem Traktor, die Beine eingeklemmt, ein Stoßgebet zum Himmel schickend. "Es war ein Mordsglück, dass nicht mehr passiert ist", sagt er, den alle liebevoll Hubsi nennen, eineinhalb Jahre später. Sein linker Unterschenkel war unter der Last gebrochen, von der Operation hätte er sich aber gut erholt. Die Bilder sind freilich geblieben, die Einsicht auch: "Ich war an dem Unfall schon auch selbst schuld." Normalerweise wird der Hang unweit seines Wohnhauses in Warth am Arlberg per Hand bearbeitet, doch dieses Mal sollte es die Maschine richten. Man könne mit den Geräten steiles Gelände durchaus befahren, aber an jenem Tag sei der Heulader voll beladen gewesen und in ein Loch gerutscht: "Der Wagen ist umgekippt, es hat mich hinausgeworfen". Ein Nachbar befreite Strolz nach bangen Minuten mit einer Stockwinde.

Strolz bleiben

Strolz ist Strolz geblieben, ein gelassener Zeitgenosse. In den Achtzigern kannte man ihn als ruhigen Techniker, der sich zwischen Slalom- und Riesentorlaufstangen entfaltete. Heute ist er Landwirt, Skiführer und betreibt mit seiner Frau Birgit ein Gästehaus. Strolz genießt die Ruhe, dem Skizirkus wollte er nach seinem Karriereende 1994 nicht erhalten bleiben. Als Sympathieträger hätte er mit Leichtigkeit seinen Platz gefunden, aber nach 14 Saisonen im Weltcup sei er zwar nicht des Skisports, aber des Reisens überdrüssig gewesen: "Ich könnte noch immer Stunden über Skitechnik philosophieren. Aber damals wollte ich einen neuen Lebensabschnitt anfangen, Zeit für meine Familie haben."

Tochter Anna Maria sei zwar motorisch begabt, der Wettkampf hätte ihr aber nie zugesagt. Sohn Johannes schlug den Weg des Vaters ein. Im Dezember 2013 gab er 21-jährig in Val d'Isère sein Weltcupdebüt, selbstverständlich im Riesentorlauf. Der große Durchbruch lässt noch auf sich warten. Vater Strolz würde nicht ungefragt Ezzes geben, aber Johannes lege ohnehin Wert auf seine Meinung: "Ich helfe, wann immer er will. Er kann mit allem kommen und sich fallen lassen." Manchmal studiere man gemeinsam die Videoaufnahmen, spreche über das Material und dessen Abstimmung: "Nur wenn das passt, kann man seine Technik auch umsetzen."

Die Nähe zu Ingemar

Die Kunst auf Skiern sei es, mit Freude zu fahren, "die Burschen legen sich die Latte oft selbst zu hoch." Die zunehmende Dichte an ausgezeichneten Athleten würde den Weg an die Spitze erschweren. Aber auch Strolz musste sich mit großen Kalibern messen. Stenmark, Zurbriggen, Tomba, Girardelli, allesamt Ikonen des Sports. "Bei einem FIS-Rennen in Kirchberg stand ich Ende der 70er-Jahre erstmals neben Ingemar, ein unglaubliches Gefühl", erinnert sich Strolz an eine denkwürdige Hangbesichtigung.

Später kam er dem großen Schweden auch im Rennen näher, so zum Beispiel, als er 1984 beim Riesentorlauf von Adelboden erstmals auf das Podest stieg und hinter Stenmark Zweiter wurde. Der Platz neben dem Sieger sollte seine Karriere zeichnen, den "ewigen Zweiten" haben sie ihn genannt. Geärgert hat er sich deshalb nicht. "Natürlich möchte man gewinnen, aber ich bin dankbar für eine abwechslungsreiche Zeit." Das Reisen in jungen Jahren hätte prägende Erinnerungen geschaffen: "Japan, Chile, Australien, Neuseeland - wir waren in der Welt unterwegs, das vergisst man nicht."

Form des Lebens

Der zufriedene Rückblick ist auch den Winterspielen 1988 geschuldet. In Calgary fuhr Strolz in der Kombination zu olympischem Gold, der große Favorit Pirmin Zurbriggen schied im Slalom aus. Alle hätten ihm diesen Sieg gegönnt, noch heute würden sich die Menschen an seinen größten Erfolg erinnern. "Vermutlich, weil ich so oft Zweiter wurde", sagt Strolz und lacht. Nachsatz: "Ich war damals in der Form meines Lebens, total konzentriert."

Dabei wurde die Vorbereitung der österreichischen Techniker zunächst kritisch beäugt. Statt sich dem nordamerikanischen Schnee zu widmen, weilte Strolz mit Günther Mader, Thomas Stangassinger und Bernhard Gstrein auf Jamaika. Das hätte nach Urlaub ausgesehen, seinen Zweck aber erfüllt: "Wir wollten nach intensiven Wochen den Akku aufladen. Zum Glück hatten wir das Herz, unseren Weg zu gehen."

Dem Gold in der Kombi ließ Strolz Silber im Riesentorlauf folgen, nur Alberto Tomba war flotter. "Das Gemeinschaftsgefühl bei den Spielen war ein tolles Erlebnis, der Kontakt zu Sportlern aus anderen Bereichen eine besondere Freude", sagt Strolz über den olympischen Mehrwert.

Schock

Doch die Erinnerungen an Calgary sind nicht nur freudige. Zwischen den Riesentorlauf-Durchgängen geriet der österreichische Mannschaftsarzt Jörg Oberhammer unter eine Pistenraupe, er verstarb noch vor Ort. "Das hat mir gezeigt, wie relativ alles ist. Ich hatte Silber gewonnen, aber ein Mensch sein Leben verloren. Sein Tod war ein Schock für die ganze Mannschaft." Die ganze Bandbreite des Lebens hätte sich in diesem einen Tag widergespiegelt.

Vier Jahre später in Albertville war Strolz drauf und dran, seinen Kombi-Olympiasieg zu wiederholen, drei Tore vor dem Ziel schied er aus: "Ich hätte im Schneepflug runterfahren können und es wäre sich trotzdem ausgegangen." So aber erbte der Italiener Josef Polig Gold. "Bitter", sagt Strolz, "aber es gibt viel Wichtigeres." (Philip Bauer, DER STANDARD, 12.01.2015)