Gerade weil die monotheistischen Religionen von jeher eine autoritäre, patriarchalische Weltordnung anstreben, ist die kritische Auseinandersetzung mit ihren Inhalten bitter nötig.

Unter Berufung auf Gottes Willen ist Religiösen alles erlaubt. Und Gott will erstaunlicherweise immer das, was der Gläubige will. Kein Rechtsstaat darf es religiösen Menschen gestatten, "göttliches" Recht über staatliches zu stellen. Solange Religion Privatangelegenheit bleibt, ist ein konfliktfreies Nebeneinander problemlos möglich. Erst wenn Religionen den Anspruch erheben, ihre Gesetze zur Maxime der allgemeinen Rechtsprechung zu machen, wird es kritisch. Gerade weil ihre heiligen Schriften oft in einem krassen Gegensatz zu unserem geltenden Recht stehen. Es ist wichtig, dass auch nichtreligiöse Menschen wissen, welche Ziele Religionen tatsächlich verfolgen und was im Falle einer Machtübernahme auf uns alle zukäme. Die Vertreter der etablierten Religionsgemeinschaften werden sich hüten, zuzugeben, dass sie im Grunde dieselben Ziele verfolgen wie Islamisten, Fundamentalisten oder Orthodoxe. Der Wolf frisst solange Kreide, wie er es für notwendig hält. Dann erst offenbart er sein wirkliches Gesicht.

Wir haben die kritische Auseinandersetzung mit den etablierten Religionsgemeinschaften bisher gescheut - vor allem aus Respekt vor religiösen Gefühlen. Um die Gefühle Nichtreligiöser machen wir uns weniger Sorgen. Satiriker und Kabarettisten dürfen Spott über Politiker, Künstler, Wissenschafter ergießen - nicht aber über Religionen, als würden wir spüren, dass mit Religiösen etwas nicht stimmt und wir sie besser nicht provozieren sollten.

Was ist eigentlich so kränkend daran, wenn jemand den Glauben eines anderen nicht ernst nimmt? Wer sich heute auf die Straße stellt und verkündet, er sei Prophet Gottes, müsste bald feststellen, dass die Leute über ihn lachen. Vielleicht würde er sich in seinem Glauben ebenfalls gekränkt fühlen. Aber wen würde das scheren? Die meisten würden sich denken: "Ein Verrückter halt!". Warum machen wir aber bei den Anhängern traditioneller Religionsgemeinschaften eine Ausnahme?

Im Gegensatz zu individuellen Wahnstörungen behandeln wir kollektive so, als hätten sie mit Wahn nichts zu tun. Womit dann? Wissenschaftlich betrachtet, gelten für religiöse Gedankengebäude dieselben Kriterien wie für den Wahn: subjektive Gewissheit, Unkorrigierbarkeit, Widerspruch zur Realität und fehlende Bereitschaft, Glaubensinhalte einer Realitätsprüfung zu unterziehen.

Wie nahe Wahn, Fanatismus und Terror beisammenliegen, haben nicht zuletzt die Attentate von Paris unter Beweis gestellt. Optimisten mutmaßen, dass der islamische Terror das letzte Aufbäumen des patriarchalischen Weltbildes vor seinem Untergang ist. Es liegt im Interesse aller, dass die Ära der ideologischen Weltbilder endlich zu Ende geht und eine neue anbricht, in der ein rationales Weltbild vorherrscht, bei dem Einsicht und Wissen im Vordergrund stehen und dessen Annahmen auf Überprüfbarkeit beruhen. Dann endlich wird sich das Leitmotiv der Science Busters "Wer nichts weiß, muss alles glauben" erübrigt haben. (Walter Hoffmann, DER STANDARD, 14.1.2015)