"Freiheit ist die Bedingung für Sicherheit. Ohne Freiheit ist keine Sicherheit möglich", erklärte der italienische Premierminister Matteo Renzi am Dienstag im Europäischen Parlament in Straßburg. Es sei eine Täuschung zu glauben, "dass wir unsere Identität verteidigen können, indem wir uns im Namen der Sicherheit in Festungen verschanzen".

Renzi hatte eigentlich das Ziel, eine Bilanz unter die mit Jahreswechsel beendete EU-Präsidentschaft Italiens zu ziehen. Unter dem Eindruck der Terroranschläge in Paris vergangene Woche drehte sich in der Plenarsitzung und in den Couloirs aber fast alles um die Konsequenzen im Umgang mit islamistischen Radikalen.

Der Premier aus Rom, der sich für die Gründung eines gemeinsamen europäischen Geheimdienstes aussprach, ist für besonnenes Vorgehen, was die Überwachung von Bürgern und deren Grundrechte betrifft - eine Haltung, die von der Mehrheit der Abgeordneten unterstützt wird.

Rechte fordern Grenzkontrollen

Ins andere Extrem tendierte die Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen. Die politische Schirmherrin der rechten Fraktionslosen in Straßburg inklusive der FPÖ, spricht sich für die sofortige Aufhebung des Schengen-Regimes, also die Wiedereinführung der nationalen Grenzkontrollen aus, ebenso für einen totalen Einwandungsstopp.

Die gemäßigten proeuropäischen Fraktionen lehnen Derartiges ab. Die Grünen sprechen sich dezidiert gegen ein Abkommen zum Austausch von Flugpassagierdaten mit den USA aus genauso wie gegen eine Neuauflage der im vergangenen Jahr im Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgehobenen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (VDS). "Damit wurden Anschläge in Frankreich nicht verhindert", sagt der Grüne Michel Reimon.

Dennoch ist bei nicht wenigen Abgeordneten, die sich bisher für eine strikte Ablehnung der Datensammlung durch die Sicherheitsbehörden aussprachen, eine gewisse Nachdenklichkeit eingetreten, dass die Union Sicherheitspolitik vernachlässigt habe.

Am deutlichsten sprach das Josef Weidenholzer (SPÖ) aus: Datensammeln, Big Data, werde das Problem nicht lösen. Er befürchte aber, dass es jetzt zu einer breiten Bewusstseinsveränderung in Europa kommen werde, wie nach den Anschlägen von 9/11 in den USA. Selbstkritisch müssten sich die Europäer doch fragen, ob sie sich in Sachen Sicherheit nicht allzu sehr auf die USA verlassen hätten. "Wir brauchen eine neue Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik", resümiert Weidenholzer. (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, 14.1.2015)