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Österreich darf Lesben und Schwule nicht mehr diskriminieren, wenn es um die Adoption eines Wahlkindes geht. Das haben die Richter und Richterinnen des VfGH entschieden.

Foto: dpa/Michael Löwa

EU-Staaten, die Homosexuellen das volle Adoptionsrecht zugestehen, erlauben in der Regel auch die gleichgeschlechtliche Ehe.

Wien – In Österreich dürfen gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam kein Wahlkind adoptieren. So steht es im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. So steht es im Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft. Und so, wie es da steht, ist es verfassungswidrig.

Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil festgestellt. Es gebe "keine sachliche Rechtfertigung für eine aufgrund der sexuellen Orientierung unterscheidende Regelung, die eingetragene Partner grundsätzlich von der Adoption eines gemeinsamen Wahlkindes ausschließt", heißt in dem Erkenntnis.

Das bestehende Adoptionsverbot für homosexuelle Paare widerspricht laut den Verfassungsrichtern dem Gleichheitsgrundsatz und Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), also dem Recht auf Achtung des Familienlebens. Der Artikel begründet an sich zwar kein Recht auf eine Adoption; gibt es aber ein solches auf nationaler Ebene, so müsse es "gleichheitskonform und diskriminierungsfrei" formuliert werden. Das war bisher nicht der Fall, sagte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger.

Traditionellen Familie werde nicht angegriffen

Angestoßen hatte den Fall ein lesbisches Paar aus Wien. Eine der verpartnerten Frauen hatte nach künstlicher Befruchtung ein Kind zur Welt gebracht, das ihre Lebensgefährtin adopierte. Diese sogenannte Stiefkindadoption hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2013 ermöglicht. In der Folge wollte das Paar jedoch ein weiteres, mit keiner der Partnerinnen leiblich verwandtes Kind adoptieren. Und eine solche Adoption eines gemeinsamen Wahlkindes war homosexuellen Paaren bisher untersagt.

Grundsätzliche Bedenken, dass es dem Kindeswohl abträglich sei, wenn es mit homo- statt heterosexuellen Eltern aufwächst, sind "von vornherein ungeeignet" ein Verbot zu rechtfertigen, heißt es in der Erklärung der Verfassungsrichter. Auch ein "Schutz der Ehe" oder der traditionellen Familie werde durch die Öffnung des Adoptionsrechts nicht angegriffen.

Mutter, Vater, Kind

Die Reaktionen in der Politik auf das Urteil fielen großteils positiv aus. SPÖ-Familiensprecherin Angela Lueger freute sich, dass "die langjährige Forderung nach absoluter Gleichstellung im Adoptionsrecht" nun erfüllt werde: "Familie ist mehr als Mutter, Vater, Kind." Die Grünen begrüßten das "historische Urteil", Klubobfrau Eva Glawischnig fordert nun auch die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Die Neos bedauerten, dass es erst des höchstgerichtlichen Urteils bedurfte.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stellte klar, "dass die ÖVP weiter die traditionelle Familie forcieren wolle, man aber das Urteil respektieren werde". Nur FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller sprach von einem "schwarzen Tag für Kinder": "Niemand behauptet, dass Homosexuelle schlechte Eltern seien, aber ein derartiges Konstrukt ist ungeeignet für die Psyche der Kinder."

Brandstetter verspricht Umsetzung

Justizminister Brandstetter (ÖVP) will das Gesetz nun "fristgerecht umsetzen". Die Reparaturfrist läuft bis 31. Dezember 2015, ein verfassungskonformes Gesetz muss dann die Möglichkeit der Adoption für Paare in eingetragenen Partnerschaften erlauben. Ob auch nicht verpartnerte Paare Kinder adoptieren dürfen sollen, wollte Holzinger nicht kommentieren. Das sei nicht Teil der vorliegenden Fragestellung gewesen und im Anlassfall zu prüfen.

Bis zur Novellierung dürfen in Österreich nur Einzelpersonen – ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung – und Ehepaare Wahlkinder adoptieren. Noch gehört Österreich damit innerhalb der EU zu einer Minderheit an Mitgliedsstaaten, die gleichgeschlechtlichen Paaren nicht die vollen Adoptionsrechte zugestehen. In Zukunft wird "Österreich das einzige Land Europas sein, das gleichgeschlechtlichen Paaren alle Adoptionsrechte gewährt, dennoch aber die Ehe verweigert", wie Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda sagt. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 14.1.2015)