Recht gelassen gibt man sich im Wiener Rathaus ob der Tatsache, dass sich der Schuldenstand der Stadt mit dem Höhenflug des Franken praktisch über Nacht um rund 300 Millionen Euro erhöht hat. "Das bedeutet nur etwas für die Bilanz", sagte Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ). "Wir zahlen erst dann zurück, wenn es vernünftig wird." Neuverschuldungen in der Schweizer Währung gibt es seit 2011 nicht mehr und werde es laut Brauner auch nicht mehr geben. Damals hatte die Opposition heftige Kritik an den Fremdwährungskrediten geübt. Der Schuldenstand der Stadt hat erstmals die Fünf-Milliarden-Euro-Grenze durchbrochen. Das war eigentlich erst für Mitte des Jahres prognostiziert worden.

Davon will die Stadt noch nichts hören: Sie bewertet ihre Kredite in Schweizer Franken nur zum Jahresende. Die Stadt hat laut Brauner zudem die Möglichkeit, die Darlehen zu erneuern, weil es - anders als bei vielen Privaten - kein fixes Endfälligkeitsdatum gibt. Die Maßnahme der Schweizer Notenbank hat dennoch direkte Auswirkungen auf Wien: Die Zinslast wird steigen. Mit Stand Ende 2014 dürften die Frankenkredite 1,66 Milliarden Euro ausgemacht haben - mehr als ein Drittel des Gesamtschuldenstandes.

Finanzstadträtin Brauner verwies darauf, dass Wien durch die Frankengeschäfte - exklusive der aktuellen Entwicklungen - rund 700 Millionen Euro durch Zinsgewinne lukrieren konnte.

Die Kritik der Opposition fiel verheerend aus: ÖVP-Landesparteiobmann Manfred Juraczka sprach von einem "Produkt einer verfehlten, spekulativen Finanzpolitik von Wien".

FPÖ-Stadtrat Eduard Schock forderte den sofortigen Rücktritt Brauners. Neos-Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger verwies auf noch höhere Verluste durch den Franken. "Wir haben ausgerechnet, dass schon 2013 durch die Fehlspekulationen in Franken der Schuldenstand um 280 Millionen Euro höher war. Mit dem aktuellen Kursverfall hat die Stadt Wien binnen Minuten mehr Verluste gemacht als im gesamten Jahr 2013."

Auch Salzburg verliert

Nach einer ersten Einschätzung der Finanzabteilung dürfte das Land Salzburg innerhalb weniger Stunden zwölf Millionen Euro verloren haben. Seit aufgrund des Finanzskandals ein Spekulationsverbot in der Landesverfassung verankert wurde, gibt es direkt beim Land keine Fremdwährungskredite mehr, aber bei der Salzburger Messegesellschaft gebe es ein Problem mit einem Frankenkredit, heißt es aus dem Büro von Finanzlandesrat Christian Stöckl.

Die Messegesellschaft hat einen Kreditvertrag bei der Landeshypo in der Höhe von 80,6 Millionen Franken. Bisher waren das umgerechnet mehr als 66 Millionen Euro. Durch den massiven Kursanstieg dürften die Verbindlichkeiten laut Finanzabteilung um rund zwölf Millionen Euro gestiegen sein und somit nun bei 78 Millionen Euro liegen. Stadt und Land Salzburg sind mit Anteilen von je 39,3 Prozent Mehrheitseigentümer der Messegesellschaft. Doch für Kreditverluste hafte alleine das Land. Endfällig ist der Kredit am 30. Juni 2017.

Die ÖVP Linz schlug Alarm und forderte noch für Donnerstag eine Sondersitzung des Finanzausschusses und des Stadtsenats. Diese erweiterte Stadtsenats- Sitzung werde es Freitagvormittag geben, kündigte Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) an. Schließlich hat die Stadt wegen ihres Swap-Deals mit der Bawag noch Frankenanleihen. 195 Millionen Franken betrug die Höhe jener Anleihe, die jedoch nicht bei der Bawag abgeschlossen wurde. Im Oktober 2014 ließ die Stadt die erste Hälfte davon in Euro konvertieren. Somit hat die Stadt immer noch Schulden in Höhe von 97,5 Millionen Franken. "Gegenüber dem Ankaufskurs von 1,5476 im Jahr 2005 beträgt der Linzer Gesamtverlust heute somit knapp 30 Millionen Euro", rechnet Vizebürgermeister Bernhard Baier (ÖVP) aus. Allein am Donnerstag habe der Kursverlust fast 11,6 Millionen Euro betragen.

Im Büro von Finanzstadtrat Christian Forsterleitner war nichts Konkretes zu erfahren. "Noch prüft die Stadtkämmerei", hieß es. Die ÖVP will, dass die Stadtregierung einen "Fahrplan für die Frankenanleihe" entwirft. Denn es gebe keinen vereinbarten Zeitpunkt für die Konvertierung der zweiten Hälfte der Anleihe.

St. Pölten gelassen

Auch die Stadt St. Pölten hat Darlehen in Franken geswappt. Die aktuellen Kursveränderungen lassen die Verantwortlichen aber kalt: Bereits im Frühjahr vorigen Jahres stellte die Stadt die Zahlungen an die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich-Wien ein, womit das Geschäft nicht mehr laufe, wie ein Sprecher am Donnerstag erläuterte. In St. Pölten meint man nämlich, das Geschäft sei "rechtsungültig zustande gekommen". Ein gerichtlicher Streit läuft. Der Barwert des Swaps soll phasenweise aufgrund des Franken-Kurses bereits über 100 Millionen Euro betragen haben. Im März 2014 lag der Wert bei 69 Millionen Euro. (ker, krud, ruep, spri, DER STANDARD, 16.1.2015)