"Wir erleben immer wieder, welch falsche Vorstellungen über Schlafen im Umlauf sind", sagt Psychotherapeutin Brigitte Holzinger.

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Die griechische Mythologie hat so gut wie alle großen Themen der Menschen in Geschichten gegossen. Der Schlaf war in diesem Reigen so wichtig, dass er als eigene Gottheit dargestellt wurde. Hypnos glitt nachts sanft über die Länder und Meere und nahm den Menschen die Sorgen und Mühen des Alltags ab. Wie belastend es ist, wenn der Schlaf diese Funktion nicht erfüllt, wissen all jene, die an Schlafstörungen leiden. Es ist ein Zustand, von dem ein Viertel aller Erwachsenen betroffen ist.

Nicht bagatellisieren

"Schlaf ist Ausdruck der Befindlichkeit und der Lebenssituation, kann aber auch Ausdruck psychischer oder organischer Erkrankung sein", umreißt Gerda Saletu-Zyhlarz. Als Leiterin des Schlaflabors der Klinischen Abteilung für Biologische Psychiatrie der Med-Uni Wien am AKH erlebt sie jeden Tag, dass Schlafstörungen im Sinne von Insomnien, also Ein- und Durchschlafstörungen, keine nächtlichen Bagatellen sind, sondern Betroffene auch am Tag beeinträchtigen. In ihrer chronifizierten Form können Insomnien auch zu Auslösern für Depression und Angsterkrankungen, aber auch für Herz-Kreislauf-Probleme oder Diabetes werden.

"Schlafstörungen sind ganz sicher nicht eine 'normale' Alterserscheinung, mit der Menschen leben lernen müssen", sagt die Schlafmedizinerin. Worum es ihr geht, ist eine differenzierte Diagnostik, die zu einer individuellen Behandlung von Patienten führt. In der aktuellen Internationalen Klassifikation von Schlafstörungen (ICSD-3) sind über 60 verschiedene Formen von Schlaf-Wach-Störungen aufgelistet.

Erste Anlaufstelle für Schlaflose sind in Österreich die Hausärzte. "Wir bemühen uns seit Jahren, schlafmedizinische Seminare über die Schiene der Ärztefortbildung zu etablieren, was leider nicht erfolgreich war, aber wichtig wäre", sagt Saletu-Zyhlarz und bedauert das Desinteresse, denn schließlich nimmt weit mehr als die Hälfte der Erkrankungen einen chronischen Verlauf.

Alkohol als Einschlafhilfe

Die Schlafmedizin unterscheidet zwischen akuten, situationsbedingten Insomnien über einige Tage und Wochen, die von selbst wieder abklingen, und chronischen Formen, die über mehrere Jahre bestehen können. "Eine differenzierte Diagnostik ist für eine Therapie extrem wichtig", sagt die Schlafmedizinerin, betont aber auch, dass ein ausführliches Gespräch mit Patienten zu ihrem Schlafverhalten dazugehört. Betroffene, die Schlafstörungen nicht als medizinisches Problem erkennen, experimentieren gerne selbst - allem voran mit Alkohol, was zusätzlich Probleme macht.

Allerdings: In der Schlafmedizin hat sich die Verhaltenstherapie bewährt. Psychotherapeutin Brigitte Holzinger hat zusammen mit ihrem Kollegen Gerhard Klösch ein Programm entwickelt, das Schlafcoaching heißt. Es besteht aus psychotherapeutischen Coachingsitzungen, Entspannungsübungen, Hypnose und der sogenannten Schlafedukation.

"Wir erleben immer wieder, welch falsche Vorstellungen über Schlafen im Umlauf sind", sagt Holzinger. Es geht darum, loslassen und entspannen zu können. Oft ist es das Nicht-schlafen-Können selbst, das Betroffene in einen Teufelskreis bringt. "Schlafstörungen sind eine Folge von innerer Angespanntheit", sagt Holzinger. Schlafmedizinerin Saletu-Zyhlarz nennt diese Überaktivierung "Hyperarousal". Es ist ein Zustand, der aus der Angst, nicht schlafen zu können, entsteht, sich als ständiges Beschäftigtsein mit dem Thema auch während des Tages als Belastung äußert und das Problem zusätzlich verstärkt.

Stressfaktoren erkennen, Schlafcoaching

"Es sind eher perfektionistisch denkende Menschentypen, die unter der Schlaflosigkeit besonders leiden", erlebt die Gestalttherapeutin Holzinger und versucht in Dialogen, Stressfaktoren zu identifizieren und bewusst zu machen. Zusätzlich dazu versucht sie, mit einem Mix aus Entspannungstechniken, Atemübungen, aber auch mit Hypnose die Situation zu verbessern. "Nicht jeder ist für alles empfänglich, wir probieren aus", sagt sie. Die Zusammenarbeit mit Medizinern hält sie für wichtig, auch Medikamente können ein Baustein in der Therapie sein.

Langwierig muss das keineswegs sein, oft reichen schon wenige Sitzungen, sagt Holzinger, die zusammen mit Gerhard Klösch auch ein Buch mit dem Titel Schlafcoaching (Goldegg-Verlag 2013) geschrieben hat. Im Herbst 2015 wird sie an der Med-Uni Wien auch einen Lehrgang für Schlafcoaching starten, weil "es gerade im Krankenhaus sinnvoll wäre, Schlafcoaches zu etablieren, denn dort gehört die Schlafqualität zur Routine im ärztlichen Fragenkatalog", meint Holzinger. Schon die alten Griechen wussten um die Wichtigkeit des Loslassenkönnens, die patientenorientierte Medizin hat Nachholbedarf. (Karin Pollack, DER STANDARD, 17/18.1.2015)